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sollte sie aber gerade das logisch unmögliche Resultat, zu dem
sie solchergestalt gelangen, der Einsicht zugänglich machen, dass
die Grundlage, von welcher aus sie das hier in Rede stehende
Verhältniss beurtheilen, nicht mit Erfolg aufrecht erhalten werden
kann.
Dadurch, dass man behauptet, die Volksvertretung habe die
Pflicht, die zur Durchführung der Gesetze nothwendigen Aus-
gaben zu votiren, kömmt man offenbar aus dem Dilemma nicht
hinaus. Wäre die Votirung des Budgets in der That ein Akt
der Gesetzgebung, dann könnte die Ablehnung der Erfüllung
einer im Gesetze begründeten Verbindlichkeit allenfalls als Un-
billigkeit, nicht aber als Unrecht erscheinen, denn Recht ist
eben das, was das Gesetz anordnet; ein formelles Unrecht kann
der Gesetzgeber nicht begehen. Hat der Gesetzgeber (was wir
eben bestreiten) in der That die Unterlassung der in Rede
stehenden Zahlung angeordnet, so hat er eben den Bestand
der bezüglichen Verbindlichkeit negirt, und es ist in einem solchen
Falle gesetzlich festgestellt, dass demjenigen, dessen Anspruch
nicht erfüllt werden soll, das Recht nicht zur Seite steht. Es
ist daher vom Standpunkte der Gegner ganz inconsequent, von
einer Verpflichtung der Vertretungskörper zur Votirung der not-
wendigen Ausgaben zu sprechen !9).
„loi non abroge&e.“ Diejenigen, die auf Grund giltiger Gesetze Ansprüche
an den Staat erworben haben, deren Realisirung in der künftigen Etatsperiode
zu erfolgen hat, mögen sich also, falls sie das Nachsehen haben sollten, mit
dem Bewusstsein trösten, dass es Anderen vielleicht noch schlimmer ergangen
ist! Eine eclatante Verfassungsverletzung soll im Handumdrehen durchgeführt
werden können, ohne dass es ein Mittel der Abhilfe gäbe? Wer sich mit
diesem Resultate zufrieden giebt, ist fürwahr um sein Phlegma zu beneiden.
16) Die in hohem Grade bedenklichen Consequenzen der gegnerischen
Ansicht für den Staatscredit, die Qualification der Staatsdiener u. a. m.
bleiben unerörtert, weil es sich hier lediglich um die Klarstellung der
Rechtsfrage handelt. Man kann sich aber leicht denken, dass wohl kaum
Jemand dem Staate auch nur einen Heller borgen würde, wenn die Existenz
‚seines rechtlichen Anspruches auf Zinsen und Capitalsrückzahlung von der
Votirung des Budgets für die betreffende Fälligkeitsperiode überhaupt und
speziell von der Votirung der betreffenden Ausgabeposten abhängig wäre.
Die Unhaltbarkeit eines solchen „Jahresabonnements auf Kündigung“ wird
auch von Zorn (allerdings nur de lege ferenda) zugegeben.