Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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Insolange man sich nicht von der Vorstellung los macht, 
dass bei Feststellung des Budgets der Gesetzgeber thätig sei, 
wird man stets in Widersprüche gerathen. Man wird in einem 
solchen Falle die absichtliche Streichung eines Ausgabepostens in 
einer Kammer als unzweifelhafte Intention des Gesetzgebers an- 
sehen, dass die Zahlung, die in dem gestrichenen Posten zum Aus- 
druck gelangte, nicht zu leisten sei, und wird diesen Fall in ganz 
gleicher Weise behandeln müssen, als wenn das Finanzgesetz die 
ausdrückliche Bestimmung enthalten würde, dass die be- 
treffende Zahlung nicht zu prästiren sei. 
Und doch besteht zwischen diesen beiden Fällen ein wesent- 
licher Unterschied. Die Meinung einer Kammer ist selbst bei 
Bestand des Einkammersystems noch nicht die Meinung des 
Gesetzgebers; die Streichung eines Ausgabepostens des Budgets ist 
eine rein negative Funktion, während die Gesetzgebung un- 
zweifelhaft das positive Zusammenwirken sämmtlicher hiezu 
berufenen Faktoren zur Voraussetzung hat. Durch ein rein 
negatives Votum oder gar durch den Abgang jedwedes Votums 
kann ein Gesetz nie aufgehoben, eine im Gesetze begründete Ver- 
bindlichkeit nie hinfällig gemacht werden. 
Das Letztere liegt aber auch gar nicht innerhalb der Grenzen 
eines Wirthschaftsplanes. Dieser muss, soll er überhaupt einen 
Sinn haben, auf den bestehenden Einrichtungen des 
Staates fussen. Niemand wird dem Gesetzgeber das Recht be- 
streiten, diese Einrichtungen zu reformiren; dies muss jedoch stets 
durch eine positive Anordnung erfolgen, und kann aus der 
Gruppirung der voraussichtlich zu gewärtigenden Einnahmen und 
Ausgaben im Finanzgesetze nie erschlossen werden. Von welcher 
Absicht die Volksvertretung bei der Votirung oder Streichung 
der einzelnen Posten geleitet wurde, ist ganz unentscheidend; 
selbst wenn die Absicht, die Erfüllung einer gesetzmässigen Ver- 
bindlichkeit zu vereiteln, ganz offenkundig wäre, müsste den- 
noch das Gesetz bis zu seiner thatsächlichen Aufhebung erfüllt 
werden. 
Will die Volksvertretung dies Letztere ausschliessen, so mag 
sie auf das Zustandekommen eines Gesetzes hinwirken, durch 
welches das frühere Gesetz aufgehoben oder dessen Wirkungen
	        
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