Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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gleiche, nämlich die höchste, die staatliche Autorität und es gilt 
im Falle einer Collision stets das spätere Gesetz ohne Rücksicht auf 
den Inhalt der betreffenden Anordnungen. Dieser Grundsatz gilt 
gleichmässig auch für den Fall der Oollision eines Verfassungsgesetzes 
mit einem anderweitigen Gesetze; auch hier kann die Bestimmung 
der Verfassungsurkunde nicht als Recht höherer Autorität bezeich- 
net werden. Allerdings pflegen die Verfassungsurkunden die Be- 
stimmung zu enthalten, dass zur Abänderung entweder aller oder 
doch gewisser Verfassungsgesetze besondere Erfordernisse zu- 
sammentreffen müssen, namentlich die Anwesenheit einer grösseren 
Anzahl von Abgeordneten bei der betreffenden Beschlussfassung, 
als sonst zur Fassung eines giltigen Beschlusses erfordert wird, 
eine ansehnlichere als die gewöhnliche absolute Majorität der 
Abstimmenden u. dgl. Allein solche Bestimmungen haben doch 
nicht den Sinn, als ob die Verfassungsgesetze in höherem Masse 
verbindlich wären als andere Gesetze, sondern es soll damit nur 
gesagt werden, dass eine, das solchergestalt geschützte Gesetz 
abändernde Anordnung nur dann als wirkliche Aeusserung 
des Staatswillens anzusehen sei, wenn die erwähnten Er- 
fordernisse zutreffen. Sind diese Erfordernisse nicht vorhanden, 
so liegt ein blosses Scheingesetz vor, welches keineswegs minder 
verbindlich, sondern ganz unverbindlich ist. Ob aber der Ein- 
zelne in die Lage kömmt, seine subjektive Ansicht in Betreff 
dieser Unverbindlichkeit zur Geltung zu bringen, hängt natürlich 
davon ab, in welcher Weise das richterliche Prüfungsrecht in 
Ansehung der Giltigkeit gehörig kundgemachter Gesetze verfassungs- 
mässig anerkannt ist. 
Die Sache liegt in unserem Falle folgendermassen: Neben 
der Verfassungsbestimmung, welche anordnet, dass die Steuern 
jährlich von der Volksvertretung zu bewilligen seien, bestehen theils 
ältere, theils neuere gesetzliche Vorschriften, durch welche den 
Staatsbürgern Steuerverpflichtungen ohne Beschränkung auf eine 
gewisse Zeit auferlegt werden. Weder die einen noch die anderen 
der letztgedachten Vorschriften werden durch die erwähnte Ver- 
fassungsbestimmung in ihrer Geltung alterirt; die neueren dess- 
halb nicht, weil sie (wie wir voraussetzen) keinen Vorbehalt im 
Hinblicke auf die früher erlassene Verfassungsvorschrift enthalten,
	        
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