Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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Wir wollen nun unserem Vorsatze gemäss die Frage 
erörtern, ob ausser dem Staatsvoranschlage noch andere unter 
Mitwirkung der Volksvertretung zu Stande gekommene Akte 
unter die Kategorie der „formellen Gesetze* einzureihen seien. 
Gerade in dieser Hinsicht vermissen wir bisher, abgesehen von 
einzelnen, gelegentlich angeführten Beispielen, eine ausführlichere 
‘theoretische Erörterung. 
Prinzipiell fällt die Antwort nicht schwer: Alle jene Ver- 
fügungen, welche ihrem Wesen nach Verwaltungsakte sind, 
jedoch kraft ausdrücklicher Vorschrift der Verfassung nur unter 
Beobachtung der zum Zustandekommen eines (Gesetzes gefor- 
derten Formen zu Stande kommen können, sind Gesetze im 
formellen Sinne des Wortes. Die Schwierigkeit liegt nur darin, 
im concreten Falle zu bestimmen, ob man es in der That mit 
einem blossen Verwaltungsakte oder mit der Aufstellung eines 
Rechtssatzes, insbesondere, ob man es etwa mit einer lex specialis 
zu thun habe. Versuchen wir nun, diese Bestimmung in An- 
sehung der am häufigsten vorkommenden Fälle, bezüglich welcher 
Zweifel angeregt werden könnten, vorzunehmen. 
1. Dem Finanzgesetze am nächsten steht das sog. Rekruten- 
gesetz, nämlich die Festsetzung der für eine gewisse Periode — 
gewöhnlich ein Jahr — behufs ungeschwächter Erhaltung der 
Wehrkraft des Staates auszuhebenden Mannschaft. SCHULZE 
Verfassung vom 26. Februar 1861 hatte im $ 10 eine ähnliche Bestimmung. 
Was ist aber Rechtens, wenn die Verfassung (wie in den süddeutschen 
Staaten) anordnet, dass bei Nichtzustandekommen des Budgets die Steuern 
noch durch eine gewisse Zeit (4 Monate bis 1 Jahr) erhoben werden 
können? Ist hier nicht a contrario zu schliessen, dass nach Ablauf dieser 
Zeit eine weitere Steuererhebung nicht stattfinden darf? Wir glauben nicht, 
dass dieser Schluss berechtigt wäre. Die Verfassung setzt eben voraus, 
dass innerhalb der erwähnten Frist eine Vereinbarung über das Budget zu 
Stande kömmt; für den Fall, wenn diese Voraussetzung nicht zutreffen 
sollte, ist eben Nichts besonderes bestimmt, und es ist daher im Sinne der 
allgemeinen Steuergesetze vorzugehen, Anderer Meinung ist jedoch GAUPP, 
Württemberg. Staatser. (in Marquardsen’s Handb.), S. 118 u. 288; man vgl. 
auch ScHENKEL, Badisches Staatsr. (ebendas.), 8. 13.
	        
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