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2) Vielfach fordern die Verfassungen die Einhaltung der
zum Zustandekommen eines Gesetzes vorgeschriebenen Formen
auch zur Oontrahirung von Staatsschulden oder zum
Verkaufe und zur Belastung gewisser Arten des Staats
eigenthumes. Die betreffenden Ermächtigungen des „Gesetz-
gebers® sind Verwaltungsakte und keineswegs Gesetze im
materiellen Sinne des Wortes, mag auch gleichzeitig der materielle
Inhalt der einzelnen auf Grund dieser Ermächtigung abzuschliessen-
den Verträge festgesetzt werden, nachdem diese Fixirung doch
nur einen integrirenden Bestandtheil der erwähnten Ermächtigung
bildet und nicht gesagt werden kann, dass durch selbe in all-
gemein verbindlicher Weise menschliche Lebensverhältnisse ge-
regelt werden ®). Wir haben es also hier mit einer weiteren
Serie von Gesetzen im formellen Sinne des Wortes zu thun,
woraus sich die wichtige praktische Consequenz ergiebt, dass
angenommen werden muss, der betreffende Akt habe sich
in Uebereinstimmung mit der bisher giltigen Rechts-
ordnung zu vollziehen.
Setzen wir z. B. den Fall, es wäre bei Erlassung des be-
treffenden Aktes angenommen worden, dass ein bestimmter Gegen-
stand, dessen Veräusserung bewilligt wurde, wirklich dem Staate
gehöre, während sich nachträglich herausstellt, dass diese V oraus-
setzung den thatsächlichen Verhältnissen nicht entsprach, indem
bestimmen (Lasanp, Staatsr. IIIa, S. 92). In Oesterreich enthält $ 13 des
Wehrgesetzes vom Jahre 1868 die widerspruchsvolle Bestimmung, dass zwar
während der Dauer der Fixirung der Kriegsstärke (mit 800,000 Mann) das
zur Erhaltung des stehenden Heeres in der festgestellten Stärke erforder-
liche Contingent nicht in Frage kommen darf, dass jedoch die thatsäch-
liche Stellung der Rekruten nur dann erfolgen kann, wenn die
Gesetzgebung dieselbe für jenes Jahr auch schon votirt hat.
Dann ist aber in der That entweder die Fixirung der Kriegsstärke oder die jähr-
liche Rekrutenbewilligung ganz zwecklos! Uebrigens glauben wir, dass auch in
Oesterreich das Nichtzustandekommen des Rekrutengesetzes keinesfalls der
Einreihung der tauglichen Wehrpflichtigen in die Landwehr im Wege
stehen würde, nachdem sich die Contingentirung lediglich auf das stehende
Heer und die Ersatzreserve bezieht, die Zahl der in die Landwehr Einzu-
reihenden dagegen unbeschränkt ist.
88) Anderer Ansicht ist in letzterer Beziehung G. MEyER in Grün-
hut’s Zeitschr., VII. Bd., S. 22. Vgl. Lasanp, Staatsr. IIIb, 8. 283.