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menschlicher Lebensverhältnisse anzusehen seien. Der gemachte
Einwand läuft also entweder auf eine petitio principii hinaus oder
er ist eine blosse Wiederholung des bekannten und von keiner
Seite bestrittenen Satzes, dass der Richter das geltende Ge-
setz anzuwenden habe, ohne Rücksicht darauf, ob er dasselbe für
zuträglich halte oder nicht, ob er mit der Tendenz des Gesetz-
gebers einverstanden sei oder nicht.
Dieser Umstand kömmt aber vorliegend gar nicht in Frage.
Wenn konstatirt ist, dass im gegebenen Falle wirklich der Ge-
setzgeber thätig war, wird es Niemandem einfallen, die allgemeine
Verbindlichkeit seiner Anordnung in Zweifel zieben zu wollen.
Und gerade in Ansehung der Konstatirung dieses Umstandes
glauben wir doch zu einem Ergebnisse gelangt zu sein.
Wir haben vor Allem sichergestellt, dass die Gesetzgebung
eine positive Funktion ist, dass daher niemals die Unterlas-
sung einer Anordnung, sei es durch Ablehnung des ganzen Bud-
gets resp. Rekrutengesetzes oder einzelner Posten desselben, be-
ziehungsweise Bewilligung einer geringeren als der den zu Recht be-
stehenden Einrichtungen entsprechenden Ziffer (Fall B.) die Wirkung
haben kann, eine Aenderung in dem bisherigen Rechtszustande
herbeizuführen, mag auch der vermeintliche Gesetzgeber, richtiger
ein einzelner Faktor der Gesetzgebung in noch so unzweideutiger
Weise seinen Willen dahin kundgegeben haben, dass es von dem,
was bisher Rechtens war, sein Abkommen zu erhalten habe.
Insofern es sich aber um positive, in Gesetzesform zu
Stande gekommene Kundgebungen handelt, sind wir zu dem
Resultate gelangt, dass zwar eine Abänderung des geltenden
Rechtes auch mit der Vornahme solcher Verwaltungsakte, zu
deren Giltigkeit im Sinne der Verfassung die Zustimmung der
Volksvertretung erfordert wird, verknüpft werden kann, dass
aber eine solche Verknüpfung eine rein zufällige ist und niemals
vermuthet werden kann. Wir werden bei solchen Verwaltungs-
akten (formellen Gesetzen) stets insolange anzunehmen haben,
dass sie auf der Basis der bestehenden Rechtsordnung ruhen, inso-
lange die Absicht der Staatsgewalt, neue Rechtssätze
aufzustellen, nicht mit unabweislicher Nothwendigkeit
aus der vorliegenden Aeusserung des Staatswillens