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rechtes unvereinbar, denn Erbrecht ohne Eigenthum ist unmög-
lich, zugleich widersprechen sie der Annahme einer primitiven
Vermögensgemeinschaft, weil in ihnen überall der Einzelne, die
von Post als Häuptling bezeichnete Person, als Subject des
Sachenreehtes auftritt. Dieser Widerspruch ist durchaus nicht
zufällig, beruht vielmehr auf der Unvereinbarkeit des Inhaltes der
Quellen mit der althergebrachten Lehre vom Communismus der
Urzeit. Die Ignorirung des vorhandenen Widerspruchs durch
PosT macht, abgesehen von der Art ihn zu lösen, die Acceptirung
der skizzirten Iiehre von der „Geschlechtsgenossenschaft* für die
sociologische Rechtswissenschaft unmöglich.
Gehen wir einen Schritt weiter und fragen wir, worauf sich
die Lehre vom ursprünglichen Hetärismus stützt, so stossen wir
auf drei grosse, an Umfang und Bedeutung rasch zunehmende
Thatsachengruppen. ‘ Es sind dies 1) Die nur auf diese Weise
erklärbare classificatorische Verwandtschaftsbezeichnung, bekannt-
lich zuerst durch den Amerikaner MorGAn mit Hilfe einer amt-
lichen, durch die Consulate der Vereinigten Staaten im Auftrage
ihrer Regierung durchgeführten, 139 Völker ‚umfassenden Enqu6te
festgestellt und seitdem noch durch zahlreiche weitere Beobach-
tungen bekräftigt). 2) Die bei den meisten Naturvölkern
obwaltende Freiheit und Zügellosigkeit der Mädchen, ein Zustand,
der sich mit den mühsam und spät entstandenen ehemännlichen
Gtewalten zusammengehalten, als der ursprüngliche darstellt. Das
Material gerade in dieser Richtung ist relativ vollständig und
gestattet bereits bündige Schlüsse. 3) Das bei gewissen Gelegen-
heiten, namentlich Hochzeiten und anderen Festen bei sehr vielen
Naturvölkern übliche, zeitweilige Eintreten von Promiscuität,
welches als ein Zurücksinken in ursprüngliche Zustände auf-
gefasst wird. Hiezu kommt eine Anzahl von Fällen von wirk-
lichem, glaubhaft bezeugtem Hetärismus, Fällen, deren Zahl
gering ist, aber hinreicht, um zu beweisen, ein solcher Zustand
sei weder unmöglich noch mit der menschlichen Natur nicht
verträglich. Die Gesammtheit der Beweise aller drei Gruppen
zusammen ergiebt unstreitig eine Wahrscheinlichkeit des ursprüng-
22) Sehr schön dargestellt und erklärt bei Lıppert Culturgesch. der
Menschheit I, 81 f.