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Den Vorsitz im Gemeinderathe führt der Maire; er überlässt ihn jedoch
einem gewählten Präsidenten in den Sitzungen, wo seine Verwaltungsrech-
nungen geprüft und besprochen werden. Ihm zur Seite stehen Sekretäre,
welche zu Anfang der Session für die Dauer derselben vom Rathe, ernannt
werden. Der Maire wacht allein über die Ordnung der Versammlung.
Die Sitzungen des Gemeinderathes sind öffentlich, wenn er nicht, auf
Verlangen dreier Mitglieder oder des Maire, beschliesst, eine geheime Sitzung
zu halten. — Die Oeffentlichkeit, die dem Municipalrath von Paris zuerst ver-
weigert worden war, ist auch ihm durch das neue Gesetz vom 5. Juli 1886
verliehen worden. —
Die von dem Gemeinderathe gefassten Beschlüsse werden nach ihrem
Datum, in ein von dem Präfekten oder Unterpräfekten nummerirtes und mit
dem Namen versehenes Register eingeschrieben und von einem jeden der
Mitglieder, die daran Theil genommen haben, unterschrieben. Jedem Ein-
wohner oder Steuerpflichtigen steht das Recht zu, sich das Register vorlegen
zu lassen, oder eine Copie davon zu nehmen. Ausserdem muss das Protokoll
der Sessionen an der Thür des Gemeindehauses in den folgenden acht Tagen
auszugweise angeschlagen werden.
c) Wirkungskreis der „Conseils municipaux“. — Der Gemeinderath ist
insgemein fähig, die Geschäfte und Angelegenheiten der Gemeinde durch
seine Beschlüsse zu erledigen, er gibt ferner in allen den Fällen, wo er durch
das Gesetz oder die Oberverwaltung hiezu aufgefordert wird, sein Gutachten
ab; er spricht über alle das Interesse der Gemeinde betreffenden Angelegen-
heiten seine Wünsche aus und kann endlich gegen den der Gemeinde bei den
Repartitionssteuern auferlegten Betrag Einwendungen erheben.
Die Beschlüsse des Rathes sind ipso jure nichtig, wenn sie nicht in
den gesetzlichen Sessionen gefasst worden sind, wenn sie ausserhalb seiner
Amtsbefugnisse liegen, oder endlich wenn sie ein Gesetz oder eine Verwal-
tungsvorschrift übertreten. Diese Ungültigkeitserklärung der Beschlüsse, die
durch den Präfekten in dem Präfekturrathe vorgenommen werden muss, ist
an keine bestimmte Zeit gebunden. Durch den Präfekten können auch in
dem Präfekturrathe alle Beschlüsse für ungültig erklärt werden, bei denen
Gemeinderäthe, die entweder persönlich oder als Vertreter dabei interessirt
waren, mitgestimmt haben; aber in diesem Falle — und hier liegt der
Unterschied gegenüber der Ungültigkeit von Rechtswegen — muss die Un-
gültigkeitserklärung innerhalb einer sehr kurzen Frist, bei Verlust der Klage
beantragt werden. Gegen den Erlass des Präfekten, welcher die Ungültigkeit
eines Beschlusses des Gemeinderathes beantragt, kann übrigens immer ent-
weder durch den Rath selbst, oder auch durch jede andere daran betheiligte
Person vor dem Staatsrath Klage erhoben werden. Dieses Gesuch muss in
der Form der Beschwerde wegen Ueberschreitung der Amtsgewalt (recours
pour exc&ös de pouvoir) eingereicht und beurtheilt werden.
Unter den Beschlüssen des Gemeinderaths, sind die einen nur rechts-
kräftig, nachdem sie von der obrigkeitlichen Gewalt gutgeheissen worden
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