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ein pflichtwidriges Verhalten derselben den Beklagten nicht berechtigt haben,
nun auch seinerseits die unverehelichte S. ohne die nach Lage der Verhält-
nisse nothwendige Unterstützung zu lassen. Vielmehr durfte er sich in
solchem Falle der Fürsorge für die Hülfsbedürftige ebensowenig entziehen,
wie wenn dieselbe z. B. von einem alimentationspflichtigen Verwandten hülf-
los gelassen worden wäre.
Dass aber im vorliegenden Falle der Amtsvorsteher, nachdem er an-
fänglich im sanitätspolizeilichen Interesse der S. aufgegeben hatte, sich ärzt-
licher Untersuchung und Behandlung zu unterwerfen, sich geweigert hat, die
Heilung derselben in einem Krankenhause und auf Kosten der Polizeibehörde
zu bewirken, darüber konnte der Beklagte sich nicht in Zweifel befinden“.
Es wird dann weiter auch die Auffassung, als sei die Unterbringung
der S. in dem Krankenhause zu Beuthen im sanitätspolizeilichen Interesse
erfolgt, reprobirt. Sie entspreche nicht der Lage der Akten.
„Die zur Ausführung der Anordnung vom 24. Januar 1884 bewirkte
Unterbringung der S. im Beuthener Krankenhause erfolgte keineswegs im
sanitätspolizeilichen Interesse, sondern Behufs zwangsweiser Durchführung
einer von dem Amtsvorsteher als Verwalter der Armenpolizei ($ 59 der
Kreisordnung) getroffenen Anordnung ($ 68 des Organisationsgesetzes vom
26. Juli 1880), gegen welche der Beklagte in dem gesetzlich vorgeschriebenen
Wege ($ 69 a. a. O.) Beschwerde hätte erheben können.
Die S. wurde dem Beuthener Krankenhause nicht zur Bewirkung
einer aus gesundheitspolizeilichen Gründen für erforderlich erachteten Kur,
sondern als eine Arme zugeführt, an welcher der verpflichtete Armenver-
band seine Schuldigkeit zu thun sich geweigert habe. Der Amtsvorsteher
nahm für die Hülfsbedürftige die Fürsorge des Klägers in Anspruch, um
dadurch derselben diejenige Pflege zu Theil werden zu lassen, deren sie
bedurfte, und welche sie aus eigenen Mitteln sich zu beschaffen ausser
Stande war. Es handelte sich sonach bei der Unterbringung der 8.
um einen Akt der Armenfürsorge, und die Kosten dieser Fürsorge fallen
unter den Gesichtspunkt der Armenpflegekosten, deren Erstattung im vor-
liegenden Falle dem Beklagten als dem ÖOrtsarmenverbande des Unter-
stützungswohnsitzes sowohl, als auch auf Grund des $ 28 des Reichsgesetzes
vom 6. Juni 1870 wegen Vernachlässigung der vorläufigen Fürsorgepflicht
zur Last fallen (Vgl. Entsch. X. S. 65).*
b) Im Gegensatze zu der vorstehenden Entscheidung hat das Bundes-
amt in der Streitsache des Ortsarmenverbandes Guretzko wider den Orts-
armenverband Beuthen, in welcher es sich ebenfalls um die Frage handelte,
ob die Unterbringung der G.’schen Eheleute in das Krankenhaus zu Beuthen
als sanitätspolizeiliche oder als armenpolizeiliche Maassregel anzusehen sei,
diese Frage nach Lage der Akten in ersterem Sinne entschieden und die
Bezugnahme des ersten Richters auf das unter 2* mitgetheilte Urtheil für
unzutreffend erklärt.
In dieser Sache beginnen die Verwaltungsakten des Amtsvorstehers zu