Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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und Verlustfrist, wenn dadurch zum Vortheil des pflichtwidrig handelnden 
Armenverbandes eine Verschiebung der Unterstützungswohnsitzverhältnisse 
begründet werden würde. 
Urtheil des Bundesamts in Sachen des Ortsarmenverbandes Bremen 
wider den Ortsarmenverband Celle vom 30. October 1886. 
Demselben lag folgender Thatbestand zu Grunde: 
Der Cigarrenmacher R. hat unstreitig von 1877 bis 7. August 1882 in 
Celle, seitdem bis zum März 1886 in Bremen gewohnt. An letzterem Orte 
hat er seinen dreijährigen Knaben in hülflosem Zustande zurückgelassen, so 
dass am 17. März 1886 die öffentliche Armenpflege für denselben eintreten 
musste. 
Der klagende Ortsarmenverband meint, dass R. trotz seiner mehr als 
zweijährigen Abwesenheit von Celle den Unterstützungswohnsitz daselbst bei- 
behalten, und andererseits trotz seines Aufenthaltes in Bremen während mehr 
als zwei Jahren den Unterstützungswohnsitz daselbst nicht erworben, viel- 
mehr der Lauf der Verlust- bezw. der Erwerbsfrist seit dem Dezember 1882 
geruht habe, weil der Ortsarmenverband Hänigsen pflichtwidrig unterlassen 
hätte, einem dort befindlichen älteren Kinde des R. die erforderliche Armen- 
unterstützung zu Theil werden zu lassen. 
Das Bundesamt hat in Uebereinstimmung mit dem ersten Richter diese 
Rechtsauffassung des Klägers verworfen. 
„Die 8$ 14 und 27 des Reichsgesetzes vom 6. Juni 1870 machen das 
Ruhen des Fristenlaufes für den Erwerb und Verlust des Unterstützungs- 
wohnsitzes von der thatsächlichen Gewährung einer Unterstützung ab- 
hängig. Sie stehen, wie die Vorschriften über Erwerb und Verlust des 
Unterstützungswohnsitzes überhaupt, in Wechselbeziehung zu einander, indem 
die gewährte Unterstützung ihre Wirkung nach beiden Richtungen hin 
äussert und ebenso den Erwerb des Unterstützungswohnsitzes am gegen- 
wärtigen Aufenthaltsorte, wie den Verlust desselben am früheren Aufenthalts- 
orte hindert. Umgekehrt folgt aus der Nichtgewährung einer öffent- 
lichen Unterstützung innerhalb des zweijährigen Zeitraums der Verlust des 
Unterstützungswohnsitzes an dem früheren und der Erwerb desselben an dem 
neuen Aufenthaltsort — falls sonstige Hinderungsgründe nicht vorliegen — 
ohne Weiteres. Die Unterlassung der Gewährung einer nothwendigen Armen- 
unterstützung kann daher allerdings zu einer Verschiebung der Armenlast 
führen, 
Aber dieser Erfolg allein berechtigt nicht, eine Ausnahme von der 
Regel der 88 14 und 27, Abs. 1 a. a. O. in dem Umfange, wie der Kläger 
annimmt, zu statuiren. Nur wenn ein Armenverband die ihm obliegende 
gesetzliche Fürsorgepflicht vernachlässigt und dadurch zu seinem Vortheil 
eine Abschiebung der definitiven Armenlast von sich auf einen anderen 
Armenverband herbeiführt, darf ein solches, eine Umgehung des Gesetzes 
in sich schliessendes Verhalten nicht geduldet werden, und ist vielmehr die 
Unterstützung, welche hätte gewährt werden müssen, als thatsächlich gewährt
	        
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