Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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kolonialer Art, und weit verschieden von denjenigen, welche die 
alten europäischen Kulturstaaten als solche aufweisen. Nachdem 
aber das deutsche Volk in die Reihe der kolonisirenden Nationen 
eingetreten ist, muss sich schon aus diesem Grunde die Theil- 
nahme der deutschen Publizisten auf Amerika richten, dessen 
Geschichte geradezu typisch für den Entwicklungsgang solcher 
kolonialer Staaten anzusehen ist; der ganze Zuschnitt des öffent- 
lichen Lebens gestaltet sich in derartigen jungen Ländern merk- 
lich anders als auf dem Boden Jahrhunderte langer geschicht- 
licher Vergangenheit; und im übrigen erscheint auch die koloni- 
satorische 'Thätigkeit, welche die Vereinigten Staaten ihrerseits 
seit ihrer Unabhängigkeit entfaltet haben, als ein nachahmens- 
werthes Vorbild in der hier angedeuteten Richtung: die Gesetz- 
gebung über die Territorien enthält nicht nur vom volkswirth- 
schaftlichen, sondern auch vom staatsrechtlichen Standpunkte aus 
gesehen sehr vieles, das geradezu Anspruch auf Allgemeingültigkeit 
erheben darf; ganz vornehmlich aber hat für Amerika Ein Institut 
des modernen Koloniallebens eine naturgemäss äusserst unheil- 
volle Bedeutung erlangt: die Sklaverei. Das junge Dasein der 
Union zeigt deutlich, in wie erschreckender Weise es sich rächt, 
wenn ein civilisirter Staat nicht versteht, gleich von Anbeginn 
seine Gesetze nach den elementarsten Regeln der Menschlichkeit 
einzurichten; und diese Lehre darf als etwas schlechthin Selbst- 
verständliches — wie es vielfach zu geschehen pflegt — durch- 
aus nicht oberflächlich, sondern muss in ihrer ganzen Tragweite 
und in ihrem vollen Ernste von der deutschen Wissenschaft ge- 
würdigt werden, denn selbst in Deutschland fehlt es nicht an 
Stimmen, welche für die Kolonien desselben die Sklaverei wenn 
auch nicht unmittelbar fordern, so doch auf Umwegen unter allerlei 
Namen einzubürgern versuchen, indem man zwar die Absicht, 
„Zwangsarbeit“ durchzuführen mit grosser sittlicher Entrüstung 
von sich weist, sich aber für einen „Arbeitszwang“ erklärt oder 
sich für das sogen. Indenturesystem begeistert, ım besten Falle 
ohne zu bedenken, dass wohl die Namen besser klingen, jedoch 
an der Verwerflichkeit der Sache selbst dadurch gar nichts ge- 
ändert wird; andererseits kann man aber auch in dieser Zeit der 
eminenten Realpolitik geradezu von dem „Popanz der Sklaverei‘ 
lesen, als ob das blutige Geschick Nordamerikas gar nicht in den 
Büchern der Geschichte verzeichnet stünde.
	        
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