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Schrift „Ueber die Verfassung der nordamerikanischen Union“ aus-
gesprochenen Ansicht, dass sie nur eine historische Bedeutung
habe — für einen wesentlichen, ja den wesentlichsten Bestandtheil
der Verfassung selbst; allerdings sollen die darin genannten Zwecke
für das geltende Recht nicht unmittelbar in Betracht kommen,
wohl aber um so mehr „die andern Theile“; als anderer Theil
bleiben aber schlechterdings nur übrig die sechs Worte: „Wir,
das Volk der Vereinigten Staaten“, und aus diesen folgert v. Housr
denn auch alles Mögliche, das er in mehreren Kapiteln über „Die
Staatensouveränetät“, „Das Volk der Verein. Staaten“, „Die recht-
liche Natur der Verfassung“, sowie „Das Recht und die Pflicht
des Zwanges“ näher bespricht, so dass es fast den Anschein hat,
als ob er aus diesen wenigen Worten die ganze rechtliche Struktur
der Union als solcher glaubt folgern zu sollen, während diese
sich doch, wıe schon früher bemerkt, nur aus der Gesammtsumme
der in der Konstitution enthaltenen Einzelbestimmungen und dem
ganzen Geiste der Verfassungsurkunde ergeben kann. Die Preamble
hat offenbar, wie jede Einleitungsklausel (enactory clause) eng-
lischer wie amerikanischer Gesetze keine andere Bedeutung, als
diejenige, welche etwa die den neuern deutschen Gesetzen zuge-
fügten Motive für sich in Anspruch nehmen können, ist also
gewiss von ausserordentlicher Wichtigkeit für die Interpretation
der Konstitution, bildet aber keinen Bestandtheil des geltenden
Rechtes selber. Wenn sich darin das „Volk der Verein. Staaten“
als den eigentlichen Urheber des Verfassungsrechtes nennt, so
war diese Wendung gewählt worden, sicherlich auch — wie
v. Hosnsr will — um damit die Einheitlichkeit des durch die
Konstitution geschaffenen Staatengebildes von vornherein hervor-
zuheben, sodann aber auch um der Ansicht Ausdruck zu geben,
dass in Republiken von der Art der Vereinigten Staaten „das Volk*
die Quelle aller Souveränetät sei, ähnlich wie in den Monarchien
der Monarch als der originäre Träger der Staatsgewalt angesehen
zu werden pflegte. Darum ist in dieser Wendung eine — gleich-
viel, ob bewusste oder unbewusste — Nachahmung der in Mo-
narchien beliebten Formel zu sehen, in welcher es heisst, dass
„Wir, der Souverän von Gottes Gnaden die Gesetze in selbst-
herrlicher Gewalt erlassen“. v. Housr will nicht nur diese Be-
deutung ‘der Preamble nicht gelten lassen, sondern hat sogar
(S. 23 Anm. 1) behauptet, dass diese Ansicht „auch nur bei ganz