Full text: Archiv für öffentliches Recht.Zweiter Band. (2)

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oberflächlicher Bekanntschaft mit der Entstehungsgeschichte der 
Union schlechthin unverständlich sei“. Trotz eines so absprechen- 
den Urtheils wird aber doch vielleicht auch jetzt noch. mancher 
Sachkenner bereit sein, in der Preamble eine Bestätigung für die 
nicht nur in der amerikanischen Juristenwelt, sondern allen 
Schichten des Volkes vorherrschende und unerschütterliche Ueber- 
zeugung von der unbedingten Volkssouveränetät zu finden. Uebri- 
gens hat v. Hoıst selbst an verschiedenen Stellen anerkannt, 
dass in den Vereinigten Staaten die Souveränetät beim Volke ruhe, 
aber dabei zugleich angegeben, dass unter „dem Volke“ nicht etwa 
die Bevölkerung, sondern die in Gemässheit der Konstitution or- 
ganisirte Gesammtheit der Bürger verstanden werden müsse; 
das ist unstreitig richtig — nachdem die Konstitution er- 
gangen ist —; aber eben darum ist das Volk, welches sich 
in der Preamble nennt und als Urheber der Konstitution auftritt, 
also die verfassungsmässige Organisation erst schafft, nicht der- 
selbe Faktor, welcher nur in dieser Organisation handelnd zu 
denken ist, denn es ist begrifflich nicht zulässig, das Geschöpf 
mit dem Schöpfer zu indentifiziren. Das Volk der Preamble ist 
also nicht das verfassungsmässig organisirte Volk; was es sei, 
dafür ist gar kein Anhalt und damit von selbst die Möglichkeit 
gegeben, dass sich zeitweilig der „Mob“ oder auch ein geschickter 
Volkstribun mit der nöthigen Gefolgschaft als „Volk“ im Sinne 
der Preamble aufspielt und die Konstitution für aufgehoben er- 
klärt, weil sie „dem Volk“ nicht mehr genehm sei, und offenbar 
der, welcher ein Gesetz erlässt, auch zur Beseitigung desselben 
berechtigt sein muss. Das Volk der Preamble hat mit oder seit 
dem Erlasse der Konstitution gleichsam seine Schuldigkeit gethan 
und seine Rechte an die nach den Grundsätzen der Verfassung 
geordnete bürgerliche Gemeinschaft übertragen; das aber heisst 
nichts anderes, als dass der Preamble vom juristischen Standpunkt 
aus lediglich eine geschichtliche oder, um es anders auszudrücken, 
formale Bedeutung, aber keine positive, materielle Rechtskraft 
beizumessen ist. Das „Volk“ in diesem Sinne findet sich in der 
Konstitution auch nur noch an zwei Stellen, nämlich in Art. IX 
und X des Amendements erwähnt, wo gesagt wird, dass die Auf- 
zählung gewisser Rechte in der Verfassung nicht so ausgelegt 
werden solle, als ob andere, welche beim „Volke“ verblieben 
sind, dadurch beeinträchtigt worden wären, und dass alle Rechte,
	        
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