— 105 —
weiblichen Stamm. Was ist aber Rechtens, wenn nach derartig
ordnungsmässig stattgehabter Thronbesteigung demjenigen, der
dem Thron entsagt hatte, eine dynastisch correcte männliche De-
scendenz geboren wird? Konnte des Hauptes Entsagung dessen
künftige Descendenz des Thronrechtes enterben? (Die etwaige
Uebertragung bezüglicher lehnrechtlicher Begriffe und Regeln
hätte natürlich gar keinen rechtlichen Zusammenhang und keinen
historischen Sinn für unsere Frage.) Das russische Reichsgrund-
gesetz spricht andererseits nur vom Uebergang des Thrones aus
älteren Geschlechtern in jüngere. Wir sehen uns also in
Widersprüche verwickelt, für deren Lösung uns die Mittel der
juristischen Interpretation ihre Dienste versagen, und selbstver-
ständlich darf man es in solchen Fragen, wie die vorliegende,
nicht darauf ankommen lassen, doctrinäre Auslegung des Gesetzes
als ergiebig in Anspruch zu nehmen. Hier hat der Gesetzgeber
mit einer ganz klar lautenden Regel einzugreifen, um damit im
Geist des Statuts von 1797 fortzufahren, das jeden mindesten
Zweifel über seinen Gegenstand gemieden wissen will. c) In
solcher Weise verfuhr in einer ähnlichen Frage der Kaiser
Nicoravs. Als authentische Interpretation wurde 1826 die
Bestimmung getroffen („als Folge und Anwendung der geltenden
Thronfolgeordnung“*) — wonach für den Fall, dass den absterben-
den Kaiser keine bereits geborenen Söhne überleben, die Kaiserin-
Wittwe aber in Schwangerschaft zurückbleibt — die Thronfolge
erst nach der zu erwartenden Niederkunft sich endgültig ent-
scheidet; würde daher ein Sohn geboren, so wird derselbe
Kaiser; wenn eine Tochter, so geht ihr der Onkel, des Vaters
Bruder, resp. der sonstige nächste Agnat des Vaters vor. — Die
Aufnahme dieser Anordnung von 1826 ist im Swod unterlassen
worden, in den Quellencitaten zu den Artikeln der Thronfolge-
ordnung ist sie aber angegeben. Sie ist allerdings zunächst durch
den einzelnen bestimmten Fall bedingt worden: falls der Kaiser
NicorAus ohne männliche Descendenz verstorben und die Kaiserin-