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der Regentschaftscandidaten beiderlei Geschlechtes ist der Kaiser
ganz frei, und er kann sie auch ausserhalb der Dynastie wählen.
Wird die Regentschaft nach dem gemeinen Gesetz
constituirt, wenn eine besondere Anordnung des verstorbenen
Kaisers über dieselbe nicht erfolgt war. Regentschaft und Vor-
mundschaft sind in diesem Fall verbunden, wenn für die letztere
nicht besondere Massregeln bestimmt wurden. An erster Stelle
beruft das Gesetz zum Regenten „den Vater oder die Mutter“
(Stiefvater und Stiefmutter sind ausgeschlossen, Art. 22),
dann die der Thronfolge nächste männliche (resp. weibliche) Per-
son, die volljährig ist.
2. Ueber das erforderliche Volljährigkeitsalter des Regenten
geschieht im Gesetz keinerlei Erwähnung. Diese Lücke ist
gewiss misslich. Durch Interpretation erledigt sich diese Frage
in folgender Weise.
Die Volljährigkeit des Thronfolgers und Kaisers ist ganz
genau mit 16 Jahren bestimmt. Diese Bestimmung ist nun eine
ganz ausnahmsweise und lässt gar keine Erweiterung auf andere
Personen zu; daher ist sie auch auf die laut Gesetz zu berufenden
Regenten ohne jegliche Anwendung.
Für die Volljährigkeit der übrigen Mitglieder des Kaiser-
hauses, ausser Kaiser und Thronfolger, bestehen 1. fest bestimmte
Altersstufen von 20 und von 21 Jahren, und 2. bedingte Zeit-
punkte für beiderlei Geschlecht: nämlich der Eintritt in eine
genehmigte und ebenbürtige Ehe. Als Regenten nach dem Gesetz
werden nur Mitglieder des Kaiserhauses berufen. Also die Voll-
jährigkeit des Regenten muss aus einem dieser sub 1. und 2.
soeben erwähnten Gründe eingetreten sein. Dabei sind aber zwei
unzweifelhafte Consequenzen zu beachten:
a) Das Regentschaftsanrecht kann einer weiblichen Person
zufallen, die noch nicht 16 Jahre zählt; denn, wenn sie dynastisch
gültig verheirathet ist, und solches kann auch nach russischem
Recht vor ihrem vollendeten 16. Lebensjahre stattfinden, so gilt