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noch gar nicht vorhandenen minderjährigen Kaiser dessen Vater
oder Mutter nicht Regenten sein dürfen. — In diesem ausnahms-
weisen Fall existirte die Regentschaft überhaupt auf ganz eigener
Grundlage. Entweder wäre sie vom verstorbenen Kaiser nach
dessen Ermessen eingesetzt und im Einzelnen organisirt, oder,
wenn solches nicht geschehen, wäre der demnächstige volljährige
Thronberechtigte des verstorbenen Kaisers, in der Eigen-
schaft als nächster Verwandter, zur Regentschaft zu berufen. Die
Möglichkeit einer wirklichen Thronvacanz bei vorhandener Dy-
nastie kann nach Obigem nicht bestritten werden. Das Rechts-
sprichwort: „Der König stirbt nicht“, darf folglich nicht wörtlich
in der üblichen Auffassung genommen werden. „Das Staatsrecht
duldet keine Vacanz der Staatsgewalt“ ; das ist absolut und wört-
lich richtig und verträgt sich auch ganz normal mit der möglichen
Thatsache einer Regentschaft für einen vacanten Thron bei vor-
handener, vielleicht auch zahlreicher Dynastie.
Praktische Bedeutung dürften diese vermerkten Consequenzen
des russischen Reichsregentschaftsgesetzes zum Glück kaum je
erlangen. Die weise Vorsicht der russischen Kaiser, dass sie,
beim Vorhandensein minderjähriger Thronfolger, gleich nach der
eigenen Thronbesteigung in ganz bestimmter Weise Vorsorge zu
treffen pflegten für den Fall einer Regentschaft, hat sich seit 1826
gleichsam zu einem ständigen Gebrauch ausgebildet. Zum even-
tuellen Regenten pflegten die Kaiser ihre demnächst ältesten
Brüder zu ernennen, somit die „nach dem Gesetz“ in diesem
Fall nächst der Kaiserin nächsten Regentschaftsberechtigten. —
Kaiser NıcoLaus ernannte zum eventuellen Regenten seinen Jüng-
sten Bruder Micnaer, weil der ältere Bruder Constantın bereits
dem Thron entsagt hatte; der Grossfürst Micuarn war daher der
nach dem Kaiser älteste Bruder und im eventuellen Fall hätte
auch nur er Kaiser werden können; dieses wurde auch ausdrück-
lich in dem Gesetz, das Kaiser NıcoLavs für diesen Fall erliess,
bemerkt.