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Kumulation mit derselben nicht anders beurteilt werden, als die
Kumulation mit irgend einer anderen fremden Staatsbürgerschaft.
Als also das Reichsgericht den gleichzeitigen Besitz der unga-
rischen und österreichischen Staatsbürgerschaft als einen Rechts-
zustand anerkennt, bringt es eigentlich nur das zum Ausdrucke,
daß es die österreichische Staatsbürgerschaft nicht für einen ex-
klusiven staatsrechtlichen Status betrachtet, sondern ihre Verein-
barkeit mit einer anderen Staatsbürgerschaft zuläßt, die rechtliche
Möglichkeit der Coexistenz der österreichischen mit irgend einer
anderen Staatsbürgerschaft anerkennt. In ultima analysi bedeutet
also die Zulässigkeit der Kumulation mit der ungarischen Staats-
bürgerschaft nichts anderes, als im allgemeinen die prinzipielle
Anerkennung der mehrfachen Staatsbürgerschaft, d. h. die Aner-
kennung jenes Grundsatzes, daß die österreichischen Staatsange-
hörigen zugleich auch Bürger eines anderen Staates sein können;
wie dies auch neuestens in dem Erkenntnisse des österreichischen
Verwaltungsgerichtshofes vom 19. März 1907 Z. 7643 zum Aus-
drucke kam, anläßlich eines Falles, bei welchem es sich um den
gleichzeitigen Besitz der österreichischen und deut-
schen Staatsbürgerschaft handelte °%*.,
Der Gesichtspunkt der Kompatibilität mit der ungarischen
Staatsbürgerschaft beleuchtet auf diese Weise außer der Relation
der beiden Staatsbürgerschaften in einem den Standpunkt der
österreichischen Rechtsauffassung in der Frage der Exklusivität
des Staatsbürgerschaftsbandes. Und der in der Praxis des Reichs-
gerichtes zum Ausdrucke gelangte Rechtssatz bildet nur einen
neueren Beweis dafür, daß das österreichische Recht das oberste
0? BUDWINSKI-ALTER: Frkenntnisse. Wien 1907. Jahrgang XXXI.
8. 805: „Es erledigt sich auch der Einwand der Beschwerde, daß Fürst
Albert zu Thurn und Taxis die deutsche Reichsangehörigkeit besitzt und
die daraus gezogene Folgerung, daß er nicht österreichischer Staatsbürger
sein kann, weil... es staatsrechtlich nicht als allgemein ausgeschlossen
betrachtet wird, daß einer Person eine mehrfache Staatsbürgerschaft zu-
kommen kann‘.