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eines hülfsbedürftig Werdenden entstehende Streitigkeiten nach dem
Rechte der Herkunft zu beurtheilen seien. Es erinnert dies an das
Princip der Persönlichkeit des Rechts, welches uns in der ältesten
Zeit der germanischen Staatenbildungen entgegentritt. Das öffent-
liche Recht der germanischen Völkerwelt scheint auf dem in Rede
stehenden Gebiete heute noch Anklänge an jenes Princip zu enthalten.
Der Schleswig-Holsteiner, welcher sich gemäss Art. 19 des Friedens-
tractats vom 30. October 1864 bis zum 16. November 1870 für die
dänische Staatsangehörigkeit entschieden hat, erwirbt in Dänemark
zunächst nach früherem schleswig-holsteinischem Recht durch fünf-
zehnjährigen Aufenthalt eine Unterstützungsheimath und dann erst
eine neue nach dänischem Recht durch fernerweiten fünfjährigen
Aufenthalt‘. Ebenso trägt in Deutschland der rechtsrheinische
Bayer sein Heimathrecht in die bayrische Pfalz. Nach Art. 28 und 6
des bayrischen Heimathgesetzes vom 16. April 1868 kann der Bayer,
welcher in den rechtsrheinischen Landestheilen eine wirkliche oder
angewiesene Heimath besitzt, die Verleihung der Heimath in einer
Gemeinde der Pfalz erst dann beanspruchen, wenn er nach heimi-
schem Recht sich in derselben im Alter der Volljährigkeit fünf Jahre
lang freiwillig und selbständig aufgehalten, während dieser Zeit
directe Steuern an den Staat bezahlt, seine Öffentlichen Verpflich-
tungen gegen die Gemeinde und Armenkasse erfüllt, Armenunter-
stützung aber weder beansprucht noch erhalten hat. Ferner ist für
ihn nach seinem heimischen Recht auch zur Erwerbung des Heimath-
rechts in der Pfalz ein zehnjähriger Aufenthalt in einer Gemeinde
erforderlich, wenn von den erwähnten Voraussetzungen nur Volljährig-
keit, Ununterbrochenheit und Freiwilligkeit des Aufenthaltes, sowie
Nichtempfang und Nichtbeanspruchung von Armenunterstützung vor-
handen sind.
Als eine durchgreifende Rechtsregel lässt sich aber das histo-
rische Princip der Stammesrechte auch für die genannten Staaten
nicht erkennen, vielmehr gelangt auch in diesen Staaten das Recht
1) Bruun, Vejledning til Behandling af Fattigforsörgelses Sager. Femte
Udgave ved. J. G. F. Räprr, Kopenhagen 1884, S. 93 und 122. Das längst
der Codification bedürfende dänische Armenfürsorgerecht beruht nur zum
geringen Theile noch auf der organischen Gesetzgebung aus der Wende
des vorigen Jahrhunderts und ist in der obigen Beziehung durch Ministe-
rial-Rescripte weitergebildet.