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gen die lex domicilii als Ausgleichungsregel zwischen jenen armen-
rechtlichen Gegensätzen aufstellen. Die Modification, welche durch
diesen Grundsatz für die Staaten des Norddeutschen Bundes dem $ 1
des Gothaer Vertrages gegeben wurde, hätte man etwa durch folgen-
den Zusatz zu demselben ausdrücken können:
Kommt jedoch die Ausweisung nur auf Grund eingetretener
Hülfsbedürftigkeit in Frage, so ist die Regierung des Aufent-
haltsstaates nicht berechtigt, vom Heimathstaate die Uebernahme
zu verlangen, wenn für den Hülfsbedürftigen bereits durch den,
nach den Landesgesetzen des Aufenthaltsstaates gehörige Zeit
hindurch fortgesetzten Aufenthalt die Armenfürsorgepflicht einer
Gemeinde desselben begründet ist.
Zugleich wurde die Initiative der Aufenthaltsgemeinden zur
Stellung des an die Behörden des eigenen Staates zu richtenden An-
trages auf Ueberführung solcher Hülfsbedürftiger, welche noch nicht
den Unterstützungswohnsitz oder das Heimathrecht erworben hatten,
an die Voraussetzung geknüpft, dass dem Hülfsbedürftigen eine öffent-
liche Unterstützung habe gewährt werden müssen und an den Nach-
weis, dass die Hülfsbedürftigkeit keine temporäre sei ($ 5). Ferner
erhielten die Gemeinden durch $ 7 Fr.G. einen durch Vermittlung
ihrer eigenen Staatsregierung geltend zu machenden Ersatzanspruch
an die Öffentlichen Kassen des übernehmenden Staates in dem Falle,
wenn die Fürsorge für den Auszuweisenden länger als drei Monate
gedauert hatte und zwar bezieht sich dieser Anspruch nach den
Motiven des Gesetzes auf jede nicht durch die Eisenacher Ueberein-
kunft als unentgeltlich vorgesehene Verpflegung. Sonach wurde
einerseits die Möglichkeit eines Ersatzanspruches gegeben für die Ver-
pflegung solcher Hülfsbedürftiger, die aus einem anderen Grunde, als
wegen vorübergehender Arbeitsunfähigkeit öffentlich unterstützt werden
müssen und andererseits für die Verpflegung solcher Erkrankter, d.h.
der öffentlichen Kur und Verpflegung Bedürftiger, deren Rückkehr
in den Heimathstaat sanitär zulässig ist. Die Ersatzpflicht beginnt
in beiden Fällen®) drei Monate vom Zeitpunkt der Benachrichtigung
des zur Uebernahme verpflichteten Staates, weil dem letzteren die
dreimonatliche Frist eingeräumt ist, um die Staatsangehörigkeit des
°) Vergl. die Begründung des Schiedsspruchs der badischen Regierung
v. 4. März 1881, abgedruckt bei REGER, Entscheidungen I, $. 413 und im
Preussischen Verwaltungsblatt 1881/1882, $. 19.