Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dritter Band. (3)

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verschieden war der Standpunkt Bayerns zu allen übrigen Staaten. 
Durch Ziff. III des bayrischen Schlussprotokolls hatte sich Bayern 
die Fortdauer des Gothaer Vertrages und der Eisenacher Ueberein- 
kunft in ihrer Vertragsnatur und mit der Kündigungsklausel sichern 
wollen ''),. Deshalb lag darin, dass in Folge der Einführung des 
Fr.G. in Bayern durch den $ 7 Fr.G. der auf das Verfahren bezüg- 
liche Theil des Gothaer Vertrages reichsgesetzlich auch für Bayern der 
Kündigung entzogen wurde und dass auch Bayern unter Umständen 
den übrigen Staaten zum Ersatz von Verpflegungskosten verpflichtet 
wurde, eine Verletzung jenes bayrischen Sonderrechts. 
Ferner involvirte auch die Vorschrift des $ 5 Fr.G., welche die 
Ausweisung nach der Niederlassung und vor dem Heimatherwerbe 
hülfsbedürftig Gewordener auch für die Beziehung der bayrischen 
Gemeinden zu einander an den Nachweis dauernder Hülfsbedürftigkeit 
knüpft, einen Eingriff in die Ordnung der nach Art. 4 R.V. der 
Reichscompetenz entzogenen bayrischen Niederlassungsverhältnisse. 
Denn auch in Bayern ist der Inhalt des Begriffes der Niederlassung 
nicht erst seit der Einführung des Fr.G. der rein thatsächliche des 
Besitzes einer Wohnung oder eines Unterkommens mit der erkennbaren 
Absicht, dauernd Aufenthalt in der Wohngemeinde zu nehmen. Viel- 
mehr kannte man schon bei der Einführung des Fr.G. den Rechtszustand 
der Ansässigkeit nicht mehr und an die Stelle eines gesetzlichen An- 
sässigkeitstitels oder des Nachweises eines gesicherten Nahrungsstandes 
als Vorbedingung des Anspruches auf Verleihung der Heimath war 
damals schon vorschriftsmässige Vollendung der Aufenthaltsdauer 
gemäss dem bayrischen Heimathsgesetze vom 16. April 1868 getreten, 
dessen Aufenthaltsbeschränkungen jenen Nachweis der dauernden 
Hülfsbedürftigkeit nicht kannten. 
Nun ist die Abänderung des Vorbehalts der Ziff. III des Ver- 
sailler Schlussprotokolls als authentischer Interpretation der bayrischen 
Exemtion von der Beaufsichtigung und Gesetzgebung des Reichs über 
Heimaths- und Niederlassungsverhältnisse, sowie jede weitere Be- 
schränkung dieser Exemtion an die Vorschriften des äusserst contro- 
versen Art. 78 der Reichsverfassung gebunden '?). 
[Ein Schlussartikel folgt.] 
  
11) Häneı., Die vertragsmässigen Elemente der Deutschen Reichsver- 
fassung, S. 108, 109. 
12) Häner 1. c., 8. 234—236. Lönıse, Die Sonderrechte der Deutschen 
Staaten und die Reichsverfassung in Hırrn’s Annalen 1875, S 369.
	        
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