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tisches Interesse zu einer legislativen Regelung dieser Üollisions-
fragen zwischen Amtspflicht und Mandatsausübung der gewählten
Beamten, einer Regelung, welche nun nicht mehr vom Standpunkte
einer grundsätzlichen Gegnerschaft oder Neigung zu dem Grundsatze
der Wählbarkeit des Beamten zu erfolgen hatte, sondern nur die
Möglichkeit einer ungleichmässigen Handhabung dieses einmal auf-
gestellten Princips Seitens der jeweiligen Regierung ausschliessen
sollte ©).
Hinsichtlich der Urlaubsfrage ist dieses Ziel heute in den deutschen
Bundesstaaten im Allgemeinen erreicht: die Gesetze bestimmen, dass
für den gewählten Beamten ein Urlaub überhaupt nicht erforderlich
(so die Reichs-Verf. Art. 21, al. 1 für die Wahl von Reichs- und
Landesbeamten zum Reichstage’), preuss. Verf.Urk. Art. 78, al. 2,
württemberg. V.U., $ 146, al.3 [G. v. 23. Juni 1874], schwarzb.-
rudolst. G. v. 16. Nov. 1870 8 2, waldeck. V.U. 8 50, lipp. G.
die Gefahren, welche eine dem Verwaltungsermessen überlassene Ausfüh-
rung jenes Grundsatzes für die Unabhängigkeit des Beamten mit sich
bringe. (Stenogr. Ber. über die Verhandl. des Preuss. Abgeordnetenhauses
v. 1863, Bd. III Anlagen Nr. 12 der Aktenstücke S. 23 ff.) Vergl. auch
die Motivirung des Antrags GRuUMBREcHT im Reichstage (im Text unten
S. 162 fg.) durch den Antragsteller: „Man kann sich in vielen Kreisen nicht
denken, dass diese Massregeln (‚dem Beamten die Stellvertretungskosten
aufzuerlegen‘) gleichmässig treffen; man meint, es sei möglich, denjenigen
Beamten, die man gern habe, irgend eine Entschädigung für die etwa ge-
zahlten Stellvertretungskosten gewähren zu können u. s. f.“ (Stenogr. Ber.
des Reichst. 1867, a. a. O., S. 704.)
°) Was speciell die Verpflichtung zur Tragung der Stellvertretungs-
kosten betrifft, so wird man heutzutage nach den gemachten Erfahrungen
der Frage, ob der Staat oder der Beamte diese Kosten zu tragen habe,
im Princip schwerlich eine politische Bedeutung beimessen können (‚ebenso
Abg. GRrumBREcHT in den sten. Ber. des Reichst. a. a. O. S. 704, und
unten S. 171a.E.; 8. jedoch Rede des Gr. v. Bismarck, das. $. 704) — wie
denn auch in Preussen bei der Revision der Verf.-Urk. beide Kammern
einig waren, dem Beamten diese Kosten aufzuerlegen (im Text unten
9. 164) — ; wohl aber hat, wie bereits angedeutet wurde, die Ausführung
des letzteren Princips im Verwaltungswege politische Bedenken. Vergl.
die Citate in Anm. 5 oben.
?) Bismarck bezeichnete im Reichstage jedoch die Nothwendigkeit eines
Urlaubs als das einzige Mittel, um den Gefahren des Grundsatzes der
Wählbarkeit des Beamten zu entgehn. (Sten. Ber. a. a. O., $. 430.)