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gewinnt er für die Bestimmung des Bundesstaatsbegriffes insofern
eine feste Grundlage, als sich von seinem Standpunkte aus alle Con-
structionen als unannehmbar erweisen, welche entweder auf einer ge-
theilten Souveränetät oder auf der Unterordnung einer nicht souveränen
Gliedstaatsgewalt unter die souveräne Gesammtstaatsgewalt beruhen.
Nachdem er die verschiedenen in dieser Richtung unternommenen
theoretischen Versuche dargelegt und einer scharfsinnigen Kritik unter-
zogen hat, kommt er zur Darlegung seiner eigenen Ansicht, die im
Wesentlichen mit der Theorie Zorn’s in Uebereinstimmung steht, dass
der Begriff des Staatenstaates ganz zu verwerfen sei, dass es auch
im Bundesstaat nur eine einzige Staatsgewalt gebe, dass die sogenannten
Gliedstaaten gar keine Staaten sind, sondern nur Organe und Ein-
richtungen des einheitlichen Staates und dass dieselben von Communal-
verbänden sich dadurch unterscheiden, dass sie an dem Zustande-
kommen des staatlichen Willens betheiligt sind. Von dieser Theorie
aus entwickelt er den Rechtscharakter des Bundesstaates, das Ver-
hältniss desselben zu den Bundesgliedern, die Vertheilung der Zu-
ständigkeit, die Staats- und Bundesangehörigkeit und die Grenzlinie
einerseits gegen den Staatenbund, andererseits gegen den Einheits-
staat. Dass in allen diesen Beziehungen die positiven Verfassungs-
bestimmungen und Rechtszustände der Schweiz besondere Berück-
sichtigung gefunden haben, ergibt sich aus dem oben dargelegten
Zweck des Buches. Wenngleich der Verfasser keine eigentlich neuen
und eigenartigen Gesichtspunkte entwickelt, so ist seine Schrift doch
von Werth, theils wegen der Vollständigkeit und Uebersichtlichkeit,
mit welcher er die neueren Bundesstaatstheorien darstellt, theils wegen
der kritischen Beleuchtung derselben. Freilich ist auch für die letztere
das Material zum grössten Theile aus den neueren deutschen Schriften
entnommen, aber es ist nicht nur in sehr geschickter Weise gruppirt
und verwerthet, sondern auch durch selbständige Erörterungen er-
gänzt. Wir verweisen in dieser Beziehung beispielsweise auf die
scharfsinnige und durchaus zutreffende Widerlegung der von GIERKE
entwickelten Theorie, welche der Verfasser ohne Anlehnung an eine
deutsche Untersuchung erbracht hat. Ebenso ist es dem Verfasser
gelungen, die von Zorn aufgestellte Ansicht, obwohl er derselben im
Allgemeinen beistimmt, in mehreren Punkten zu verbessern. Mehr
Gewicht aber als auf dergleichen Einzelheiten ist, wie ich glaube,
darauf zu legen, dass die vorliegende Schrift, weil sie in französischer
Sprache verfasst ist, wesentliche Dienste leisten wird, um die wissen-