Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dritter Band. (3)

— 18770 — 
für den Nichtschweizer sehr lehrreiche Betrachtung über die Schweizer 
Gesetzgebung des letzten Jahres und über die gegenwärtigen poli- 
tischen Verhältnisse der Schweiz. Der Inhalt der beiden Aufsätze von 
Rıeorpy und AFFOLTER endlich erhellt aus den Ueberschriften. 
Die wissenschaftlichen Grundsätze des Jahrbuches sind enthalten 
in dem ersten Aufsatze „Moderne Grundlinien für die Politik*, auf 
den daher auch namentlich in den beiden anderen vom Herausgeber 
verfassten Abhandlungen verschiedentlich ausdrücklich verwiesen 
wird. Der Herausgeber geht hierbei aus von der wohl ausser Zweifel 
stehenden Thatsache, dass die gegenwärtige Generation eine sehr starke 
Abneigung gegen alle Philosophie hat. Er wirft ihr daher vor, da 
diese Thatsache sich auch auf dem staatsrechtlich-politischen Gebiete 
immer mehr geltend macht, sie kenne nur eine Politik der Mittel- 
ursachen, die nicht weiter gehe als bis zur Befriedigung der realen, 
d. h. der augenblicklich am stärksten sich geltend machenden Be- 
dürfnisse, und diese Politik ohne leitende Grundsätze nenne man Real- 
politik. Mit dieser politischen Grundsatzlosigkeit erziehe man aber 
nur „leitende Staatsmänner“ und ihr Complement, „beschränkten 
Unterthanenverstand“. Die einzige Ausnahme von dieser auch in der 
Literatur sich immer mehr geltend machenden Richtung sieht der 
Herausgeber in Juerıne’s Werke „Der Zweck im Rechte“. Aus diesem 
werden daher in dem weiteren Inhalte der Abhandlung die modernen 
Grundlinien der Politik, die philosophische Grundlage für die Staats- 
und Rechtsphilosophie geschöpft. 
Es kann nun nicht unsere Aufgabe sein, an dieser Stelle gelegent- 
lich der Besprechung des Jahrbuchs auch noch den Inhalt eines Werkes 
von der Bedeutung wie Jnerıng’s „Zweck im Rechte“ nebenbei zu er- 
örtern. Wohl aber gibt der Ausgangspunkt des Herausgebers, ver- 
möge dessen er moderne Grundlinien für die Politik suchen zu müssen 
glaubt, Anlass zu einer eingehenderen Auseinandersetzung. Die Ab- 
neigung der gegenwärtigen Generation gegen alle Philosophie, also 
auch gegen die Rechtsphilosophie, ist zuzugeben. Aber man muss 
bestreiten, dass es früher trotz aller Philosophie praktisch eine andere 
Politik gegeben hat als die der Mittelursachen, wie sie der Heraus- 
geber nennt. Nie hat ein praktischer Staatsmann nach philosophischen 
Grundzätzen regiert, nie hat er seine Aufgabe in etwas anderem sehen 
können, als in der Befriedigung der augenblicklichen Bedürfnisse seines 
Staates. Es fragt sich nur, wie daneben früher noch eine Rechts- 
philosophie bestehen konnte, die über die sogenannten Mittelursachen
	        
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