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keit und staatliche Geschütztheit anlangt, ist die emtio venditio
und die locatio conductio vor dem Üensor der privatrechtlichen
zeitlich vorausgegangen; sie galt, bevor diese klagbar ward und
mag ihr in manchen Einzelheiten nachher zum Vorbild gedient
haben 1%). Aber die gleichen Geschäfte mit den gleichen Namen
sind ja schon immer neben den Rechtsgeschäften des jus civile
hergegangen, rein thatsächlich auf Treu und Glauben. Wenn
nun in der Amtsverwaltung des Üensor Geschäfte vorkamen,
welche eine Art Willenseinigung zu ähnlichem wirthschaftlichem
Erfolge darstellten, so erhielten sie die gewohnte Bezeichnung.
Die Ausdrücke: vendere, emere, redemptor, locare, conducere, lex
contractus werden ganz unbefangen verwendet. Eine Gefahr,
dass um solcher Namen willen der Staat in diesen Verhältnissen
als Privatrechtssubject betrachtet werden könne, wird den Römern
gar nicht zum Bewusstsein gekommen sein.
II.
Im Gegensatz zur altrömischen Republik ist der französische
Staat doppellebig: er steigt in seinem Verhältnisse zu den Ein-
zelnen vielfach auf den Boden des Privatrechts herab und steht
denselben dann als personne morale, als juristische Person wie
eine andere gegenüber.
Die grosse Frage, welche für das französische Recht entsteht,
ist also die der Abgrenzung dieses Gebietes. Die Frage hat eine
besondere Schärfe dadurch bekommen, dass das neue Staatsrecht
seit der Revolution die Zuständigkeit der Gerichte an denselben
Massstab gebunden hat. Unter dem Eindruck der Kämpfe des
Königthums mit den Parlamenten hat man den Gerichten ver-
boten, sich in die Verwaltungsthätigkeit einzumischen. Ver-
waltungsthätigkeit im Sinne dieses Verbotes ist es aber nicht,
wenn die Lebensäusserung des Staates sich bewegt auf privat-
7) MoMMSEN in Ztschft. f. Rechtsgesch. N. F. VI, S. 267 fi.