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Grunde gelegt werden solle, welche eben dieser Etat erst schaffen
müsste. Diesen circulus vitiosus könne man der Reichsverfas-
sung nicht zutrauen.
Prevss kommt daher (S. 81) zu dem Resultat, dass die
Reichsverfassung in Art. 60 für die definitive Regelung der
Friedenspräsenz ein besonderes Gesetz fordere, und die Festsetzung
derselben lediglich durch den Reichshaushaltsetat absolut aus-
schliesse.
Ad 1. Es ist zunächst zuzugeben, dass in der That die nicht
unzweideutig in dem Gesetze ausgesprochene Absicht des Gesetz-
gebers ihre Bedeutung verliert, wenn wirklich innere Gründe
vorhanden sind, welche die in dem Gesetze absichtlich offen ge-
lassene Frage in einem ganz bestimmten Sinne entscheiden.
Bezüglich des Vorhandenseins dieser inneren Gründe können
wir uns jedoch in dem vorliegenden Falle den Deductionen von
Preuss nicht anschliessen.
Zunächst ıst u. E. der Beweis, welchen Przvss aus dem
Verhältniss der Art. 57 und 59 zur Bestimmung der Präsenzzahl
herleitet, auf einen Fehler aufgebaut. Dieser Fehler besteht in
dem unrichtigen Verständnisse, einmal des Begriffes der allge-
meinen Wehrpflicht, wie sie in Art. 57 ihren Ausdruck gefunden
hat, sodann des Verhältnisses von Dienstzeit und Präsenzzahl zu
derselben.
Der Grundsatz der allgemeinen Wehrpflicht bedeutet die
Verpflichtung jedes dazu Befähigten, auf die Aufforderung des
Staates hin in das Heer einzutreten, sei es im Falle eines Krieges,
sei es zum Zwecke der erforderlichen Ausbildung in den Waffen
während der Friedenszeit. Dass thatsächlich im Frieden jene
Aufforderung an jeden Wehrfähigen ergehen solle, ist durch den
Begriff der allgemeinen Wehrpflicht keineswegs gefordert, wird
also auch durch Art. 57 der Reichsverfassung nicht festgestellt.
In welchem Umfange und unter welchen Bedingungen diese
Aufforderung seitens der Staatsgewalt erlassen werden darf, das