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So können uns auch die Einwände der Gegner nicht davon
überzeugen, dass die aus der Betrachtung des Wortlautes, sowie
aus dem Studium der Entstehungsgeschichte des Art. 60 von
uns hergeleitete Interpretation dieses Artikels unrichtig sei. In
Uebereinstimmung mit der Mehrheit der Autoren, welche in der
einschlägigen Literatur diese Frage behandelt haben, kommen
wir demnach zu folgendem Resultate:
Dem Art. 60 der Reichsverfassung geschieht Genüge durch
jede in den Formen des Gesetzes erfolgende Feststellung der
Friedenspräsenzstärke, möge dieselbe geschehen durch dauerndes
Gesetz, durch Gesetz auf Zeit oder durch das jährliche Etats-
gesetz.
IV.
Die Friedenspräsenz des Heeres und das Budgetrecht des
Reichstags.
Art. 62! der Reichsverfassung und das Gesetz vom 9. De-
cember 1871 gewährten der Militärverwaltung zur Bestreitung
des Aufwandes für das Reichsheer ein nach der Höhe der Frie-
denspräsenz bemessenes Pauschquantum. Die späteren Gesetze,
durch welche die Friedenspräsenz normirt wurde, treffen dagegen
keinerlei Bestimmung bezüglich des Heeresaufwandes, mit dem
Erlass des Reichsmilitärgesetzes vom 2. Mai 1874 ist vielmehr
die Bemessung desselben dem jährlichen Etatsgesetze überlassen.
Es fragt sich nun, ob mit dieser Befugniss des Reichstags,
nach freiem Ermessen jährlich den Heeresaufwand mitzubestim-
men, demselben zugleich ein Recht eingeräumt ist, auf die durch
ein Specialgesetz normirte Friedenspräsenz des Heeres einzu-
wirken.
Wir müssen dies durchaus verneinen. Allerdings ist die
Friedenspräsenzziffer, wie wir oben gezeigt, eine Maximalziffer
und es besteht keine Verpflichtung, dass dieselbe wirklich er-
Archiv für Öffentliches Recht. II. 2. 16