Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dritter Band. (3)

— 245 — 
Kaisers, ausnahmsweise und vorübergehend, auch ohne zur 
Mobilmachung zu greifen, „nothwendige Verstärkungen“ des 
Heeres eintreten zu lassen, d. h. mit anderen Worten, die ge- 
setzliche Friedenspräsenzstärke zu überschreiten, — dass auch 
dieses Recht, wie es durch $ 6, Absatz 5 des Wehrgesetzes vom 
9. November 1867 anerkannt wird, aus Art. 63% herzuleiten sei °°). 
U. E. kann diese Berechtigung sich nicht auf Art. 63% 
stützen. 
Zunächst lassen es die Verhandlungen des constituirenden 
Reichstags durchaus nicht erkennen, dass bei Einfügung dieser 
Bestimmung in die Verfassung die Absicht obgewaltet habe, 
dem Kaiser eine Ueberschreitung der gesetzlichen Friedenspräsenz 
zu gestatten. 
Allerdings wurden die Anträge Duncker und GünTtHer ®%), 
welche eine solche Ueberschreitung ausdrücklich gesetzlich ver- 
bieten wollten, abgelehnt; doch, wie sich aus den Verhandlungen 
ergibt, nicht sowohl deshalb, weil man dieses Recht dem Bun- 
desfeldherrn einräumen wollte, als weil man nach den Erklä- 
rungen des Bundescommissars von PonsieLskı eine solche Nor- 
mirung nicht mehr für nothwendig erachtete ®5). 
Die unbestrittene Befugniss des Kaisers, die Präsenz vor- 
übergehend auch über das Mass der gesetzlichen Friedens- 
präsenzstärke hinaus zu bestimmen, hat ihren Rechtsgrund eben 
nur in der positiven Bestimmung des $ 6° des Wehrgesetzes. 
An der Richtigkeit dieser Thatsache ändert auch nichts der 
83) So namentlich SevveL;, Hırra’s Annalen 1875, S. 1416 ff.; v. Rönne, 
Deutsches Staatsrecht, Bd. II, S. 143; TmupıcHhum, Verfassungsrecht des 
Norddeutschen Bundes, $. 434; Preuss, a. a. O., $8. 91. 
84) BezoLp, II, $. 458. 
86) Der Abgeordnete WALDEcK sagte mit Bezug hierauf, ohne Wider- 
spruch zu finden: „Nach den Erklärungen, die der Herr Commissarius ge- 
geben hat, scheint mir dieser Zweifel nicht begründet zu sein. Es scheint 
die Feststellung des Präsenzstandes innerhalb der gesetzlichen Normen hier 
gemeint zu sein.“ (Bezoıp Il, S. 457).
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.