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scheidenentzündung endlich eine Sehnenzerreissung sich ergibt,
in Folge der Herzerweiterung eine Blutüberfüllung der Lunge
und ein Blutsturz eintritt oder die allmählich gebildete Hernie
bei bestimmter Gelegenheit eine plötzliche Vergrösserung erfährt.
Diese Fälle, welche der Praxis Schwierigkeiten verursacht haben °%),
dürfen nicht als Unfälle behandelt werden. Die letzte anatomische
Veränderung des Körperzustandes darf nur als der Höhepunkt
jener einheitlichen krankhaften Entwicklung betrachtet werden,
ebenso wie die letzte schädigende Einwirkung nur als äusserstes
Glied einer ganzen Kette von Einflüssen erscheint und dadurch
den Charakter des für sich Bestehenden, Plötzlichen einbüsst 3).
Es verdient an dieser Stelle besonders hervorgehoben zu
werden, wie sehr sich bei der Feststellung dieses Begriffsmomentes
die Unterscheidung der körperschädigenden Einwirkung sowohl
von dem äusseren Thatbestande, welcher einwirkt, als von dem
Tode oder der Körperverletzung, welche durch die Einwirkung
entstehen, bewährt hat. Nur die Einwirkung muss, um den Be-
°4) Unrichtig erscheinen nach dem im Text Bemerkten die Schieds-
gerichts-Erkenntnisse, Arb.Vg. III, S. 509 (Sehnenzerreissung nach Sehnen-
scheiden-Entzündung) und Arb.Vg. III, S. 284 (Blutsturz nach Herzvergrös-
serung und Lungenanschoppung). Die Recurs-Entsch. des R.V.A. (A. N. III,
S. 85, Nr. 468), welche eine Entschädigung eintreten lässt, wenn bei vor-
handener Bruchanlage plötzlich im Anschluss an ungewöhnliche An-
strengung ein Bruch entsteht, unterscheidet zu wenig zwischen dem That-
bestande, wo die sogen. Bruchanlage eine rein natürliche ist und dem, wo
sie sich nach den Ausführungen des Textes selbst schon als eine Gewerbs-
krankheit darstellt. Vgl. unten Note 147, sowie Centralblatt für Chirurgie
1888, Nr, 11, S. 199.
65) Dass ein Entschädigungsanspruch noch weniger begründet ist, wenn
die bestehende Gewerbskrankheit ohne jede mit dem Betriebe zusammen-
höngende Einwirkung sich plötzlich verschlimmert, ist nach Obigem klar.
Richtig auch A. N. II, S. 252, Nr. 215, wo ein Tagelöhner durch die
wochenlange Handhabung der Schippe (Schaufel) sich an den Händen
Schwielen zugezogen hatte, und dessen eine Hand in Folge einer aus un-
aufgeklärten Gründen eingetretenen Entzündung des schwieligen Theiles
der Hand steif geworden war.