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auch dann vom Aufenthaltsstaate beibehalten werden sollen, wenn
sie selbst inzwischen unterstützt werden müssen.
Schliesslich sind für die Zurückverweisung hülfsbedürftiger An-
gehöriger nichtbayrischer Staaten aus Bayern in den Heimathstaat
die Vorschriften des Gothaer Vertrages darüber, inwiefern die Staats-
angehörigkeit von Ehefrauen, Wittwen, geschiedenen Frauen, ehelichen
und unehelichen Kindern nach der Staatsangehörigkeit der Haupt-
person sich richten solle, intact geblieben, weil der Erwerb der bay-
rischen Heimath ohne den der dortigen Staatsangehörigkeit rechts-
wirksam unmöglich ist??).
22) MÜNSTERBERG stellt in SchmoLLer’s Jahrbüchern l.c., S. 360 Anm. 1
die Behauptung auf, dass die von dem Bundesamt für das Heimathwesen
aufgestellten Grundsätze über die Familiengemeinschaft auch Bayern und
Elsass-Lothringen betreffen und dass die nach jenen Grundsätzen zulässige
Zurückverweisung arbeitsfähiger Personen für die in den letztgenannten
Staaten aufhaltsamen Angehörigen anderer Bundesstaaten um so viel härter
sei, als die Befugniss zur Zurückverweisung für diese nicht oder nur in ge-
ringem Masse beschränkt sei. So lange indess die interterritorialen Be-
ziehungen des Geltungsgebietes des U.W.G. einerseits und Bayerns und
Elsass-Lothringens andererseits durch das Fr.G. und den Gothaer Vertrag
geregelt sind und die Armenpflege dieser Gebiete ungleichartig organisirt
ist, ist die Anwendung der Grundsätze der Familieneinheit als massgeben-
der Rechtsregeln in dieser interterritorialen Beziehung völlig undenkbar.
So weit es hier in Betracht kommt, bedeutet Familengemeinschaft
entweder die an die directe Unterstützung einer Nebenperson geknüpfte
Rückwirkung des accessorischen Unterstützungswohnsitzes auf die Nieder-
lassungsbefugniss der Familienhauptperson; oder aber, wenn Haupt- und
Nebenperson als landarm in den Bezirken verschiedener Landarmenver-
bände weilen, die an die successiv eintretende Hülfsbedürftigkeit Beider
geknüpfte Fiction gemeinsamen Aufenthalts von Haupt- und Nebenperson
in einem dieser Landarmenverbände. Daraus folgt, dass die Rechtsinsti-
tute des Unterstützungswohnsitzes und des Landarmenwesens Bestandtheile
des armenrechtlichen Systems desjenigen Rechtsgebietes sein müssen, in
dessen Bereich jene Grundsätze angewendet werden sollen. Ausserdem
verbietet die in $ 5 Fr.G. aufgestellte Ausgleichungsregel der lex domicilii
das Hinüberwirken der Rechtssätze des einen Systems auf das Gebiet des
anderen. Aber auch wenn man sich auf den einseitigen Standpunkt stellen
wollte, dass eine bayrische Gemeinde berechtigt sei, auf Grund des $ 4
Fr.G. einen aus dem Gebiete des U.W.G. Anziehenden zurückzuweisen, weil
sie gleichzeitig in Erfahrung bringt, dass derselbe ein Familienglied hülfs-