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des Kreises der Wissenschaft beibehalten und durch Einrechnung des
Militärdienstjahres,, welches jetzt den Einjährig-Freiwilligen geistig
und körperlich vollständig in Anspruch nimmt, thatsächlich auf
zwei Jahre reducirt worden. Selbst dieser völlig ungenügende Zeit-
raum geht aber in vielen Fällen in Folge der Ausartung des Corps-
und Verbindungswesens der wissenschaftlichen Ausbildung ganz oder
zum grössten Theil verloren. Seit dem Jahre 1869 ist die zweite
Prüfung weggefallen und die erste Prüfung durch Verfügung des
Justizministers LEONHARDT wieder wesentlich verschlechtert worden.
Die von vielen Seiten gemachten Anstrengungen, bei Einführung der
Justizgesetze im Jahre 1879 eine Besserung dieser Zustände durch-
zusetzen, blieben gänzlich erfolglos.
Dieser Darstellung der in Preussen bestehenden Einrichtungen
fügt der Verf. (8. 243 ff.) eine Uebersicht der in den anderen deutschen
Staaten bestehenden bei, aus welcher sich ergibt, dass in der über-
wiegenden Mehrzahl derselben viel zweckmässigere Vorschriften gelten
und namentlich die wissenschaftliche Vorbildung der Juristen besser
gesichert ist.
Bevor der Verf. nun seine Reformvorschläge begründet, schiebt
er als dritten Abschnitt unter der Ueberschrift „Persönliche Bestre-
bungen und Erfahrungen“ eine Art von wissenschaftlichem ceurriculum
vitae ein.
Der praktisch bedeutsamste Theil ist selbstverständlich der
vierte Abschnitt (S. 273—347), in welchem der Verf. die Gesichts-
punkte für die nothwendige Reform entwickelt. Zunächst weist er
die Vorschläge, welche auf eine Aenderung der Lehrmethode, auf die
Einführung von Unterrichtscursen für Referendare an den Gerichten,
auf die Halbirung des Universitätsunterrichts, so dass ein Theil des
Referendariats dazwischen fällt, auf die Führung von Präsenzlisten,
die Abhaltung von Zwischenprüfungen u. dgl. gerichtet sind, mit
überzeugenden Gründen zurück. Seine eigenen positiven ‚Vorschläge
sind auf vier Punkte zurückzuführen.
1. Die erste Staatsprüfung ist in allen ihren Theilen zu ändern.
Die Zeitdauer der einzelnen Prüfung ist zu erweitern, die Zahl der
in einem Termin zu prüfenden Candidaten ist erheblich zu beschränken,
der Prüfungsstoff ist zu specialisiren. Die schriftliche Prüfung in
ihrer jetzigen Gestalt ist gänzlich werthlos und durch Clausurarbeiten
zu ersetzen.
2. Die Zusammensetzung der Prüfungscommission ist zu ändern;