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seitigte, dass ein Staat entweder seinen eigenen höchsten Interessen
zuwiderhandeln oder wortbrüchig werden müsste. Wenn LammascH
hierin sogar die ausschliessliche Begründung jenes Principes erblickt
und die Präsumtion der Nichtunsittlichkeit der politischen Verbrechen
mit Recht zurückweist, so wird er doch nicht verkennen, wie die
Thatsache, dass solche Handlungen nicht selten gegen einen selbst
nach dem Rechte des Auslands illegalen staatlichen Zustand und im
Gefühle subjectiver Berechtigung vorgenommen werden, die An-
erkennung des Grundsatzes mächtig gefördert hat. Er selbst weist
in der Folge bei Besprechung der relativ politischen Delikte darauf
hin, dass selbst die letzteren nicht mit jener unwandelbaren Verwerf-
lichkeit behaftet seien, die den Thäter überall proscribirt, und erkennt
die Nothwendigkeit an, die Lehren der Geschichte und die Anforde-
rungen der praktischen Politik nicht aus den Augen zu verlieren,
nach welchen wir nicht selten Gewaltthaten für gerechtfertigt oder
doch für entschuldigt halten, die der Oriminalist nur verdammen kann.
Hinsichtlich der „absolut politischen“ Verbrechen kommt ferner, wie
Lammasch ausführt, in Betracht, dass dieselben regelmässig nach dem
Rechte des ersuchten Staates nicht strafbar und überdies ihrem Wesen
nach nur formal und blanquetartig bezeichnet sind, so dass ein Staat,
der bezüglich derselben die Auslieferung zusagt, niemals genau wüsste,
wozu er sich verpflichtet. — Mit Recht verwirft der Verfasser die
neuerlichen Versuche, den Begriff der politischen Verbrechen unter
Ausscheidung der relativ politischen nach den die gerichtliche Zu-
ständigkeit oder die Anwendbarkeit gewisser Strafarten betreffenden
Gesetzen der einzelnen Staaten zu bestimmen; dieser nationale Be-
griff ist naturgemäss ein engerer, international nicht zu verwendenden
In der letzteren Beziehung ist die auf die Begehung eines absolut
politischen Verbrechens gerichtete Absicht, der Zweck der Hand-
lung, das Entscheidende, nicht das Motiv. Zu demselben Ergebniss
führt aber auch, wie LammascH hervorhebt, die von dem objectiven
Thatbestand ausgehende Ansicht, sofern dabei die natürliche und
psychologische Anschauung bestimmend ist, welche bei den relativ
politischen Delikten die Concurrenz des gemeinen Verbrechens mit
dem absolut politischen Verbrechen, bezw. der Vorbereitung dazu, nicht
verkennt. — Die neuerliche Tendenz nach einer Einschränkung des
Grundsatzes der Nichtauslieferung politischer Verbrecher beruht darauf,
dass „das moderne Bewusstsein vor dem Gedanken zurückschaudert,
als könnte vielleicht die Rücksicht auf den der Billigung und Bewun-