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derung würdigen letzten Zweck der That ihren Urheber vor der für
die angewendeten Mittel verdienten Strafe schützen“; LammascH nennt
diesen Schauder einen der grössten Öulturfortschritte seit der Renais-
sance. Nur hat jene Tendenz bisher keinen genügenden und praktisch
brauchbaren Ausdruck gefunden, weder in der üblichen „Attentats-
klausel‘, welche einerseits zu weit und anderseits wegen des Rück-
schlusses auf den Mord von Privaten nicht weit genug geht, noch
auch in dem Vorschlag des Instituts des internationalen Rechts, die
Auslieferung dann eintreten zu lassen, wenn die Thaten nach dem
Kriegsgebrauch nicht entschuldigt sein würden. Die im Lauf eines
wirklichen Bürgerkriegs verübten Gewaltthaten können freilich, weil
die sich bekämpfenden Parteien für die internationale Betrachtung
als Kriegführende gelten, zur Auslieferung keinen Anlass geben, so-
fern sie dem Kriegsgebrauch entsprechen. Sofern aber Letzteres nicht
der Fall ist, darf nach den zutreffenden Ausführungen von LammascH
nicht vergessen werden, wie bei der Ungleichheit der Verhältnisse
beider Parteien manche Gewaltthaten, die im Kriege als rechtswidrig
gelten, im Bürgerkrieg nicht vermieden werden können; der letztere
hat seinen eigenen, allerdings nicht zuverlässig zu begrenzenden Ge-
brauch. Auch der Vorschlag des Verfassers, die Auslieferung wegen
jedes nicht im offenen Kampf verübten Mordes eintreten zu
lassen, dürfte als eine alle Zweifel bei der Anwendung ausschliessende
Lösung der Frage kaum anzusehen sein, wenn auch dem Verfasser
darin grundsätzlich beizutreten ist, dass wenigstens der Mord, abge-
sehen von gewissen, näher zu präcisirenden Umständen, unter allen
Umständen der Auslieferung unterworfen werden müsste.
Im dritten Abschnitt werden die Verbrechen der Widersetz-
lichkeit gegen Behörden, des Missbrauchs der Amtsgewalt, die beson-
deren Standesdelikte der Militärpersonen (Desertion), die Steuer- und
Zolldefraudationen behandelt — strafbare Handlungen, bei welchen
zum Theil verwandte Gesichtspunkte wie bei den politischen: in Be-
tracht kommen.
Im vierten Buche, betreffend die Beschränkungen und Be-
dingungen der Auslieferungspflicht, wird der andere moderne
Grundsatz, der der Nichtauslieferung eigener Unterthanen,
historisch und dogmatisch entwickelt. Im engsten Zusammenhange
mit dem sogenannten Nationalitäts- oder Personalitätsprincip des inter-
nationalen Strafrechts stehend und dasselbe als Ergänzung fordernd,
findet jener Grundsatz in naheliegenden praktischen Bedenken hin-