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sichtlich einer gerechten Behandlung der Inländer im Auslande zwar
seine Erklärung, erscheint aber neuerdings, nachdem die Auslieferung
in ein Institut des regelmässigen Rechts sich umgewandelt hat, immer
mehr als eine Singularität. Das damit verbundene Protokollverfahren
steht in einem kaum erträglichen Widerspruch mit der Mündlichkeit
und Unmittelbarkeit des modernen Strafverfahrens. Gleichwohl wird
kein Staat den fraglichen Grundsatz allgemein aufgeben können, ohne
damit unter Umständen die berechtigten Interessen seiner Nationalen
aufs Spiel zu setzen, und so dürfte der Vorschlag von LammascH das
Richtige treffen, die Entscheidung dem einzelnen Falle vorzubebalten.
Das Buch behandelt weiter den Einfluss der Verjährung, der
Schuld- und Strafausschliessungsgründe und des Erfordernisses des
Strafantrags, die Behandlung der im ersuchten oder in einem dritten
Staat verübten Verbrechen, die Wirkung rechtskräftiger Freisprechung
vor einem anderen zuständigen Gericht, bezw. der Strafverbüssung,
den Einfluss einer vor einem Gericht des ersuchten Staats wegen der-
selben Handlung zur Zeit schwebenden Untersuchung. Die Verträge
treffen hier, wie der Verfasser hervorhebt, nicht überall das Richtige,
indem sie zum Theil der Strafverbüssung oder Freisprechung in einem
dritten, bezw. dem ersuchenden Staate selbst schlechterdings keinen
Einfluss gestatten, zum Theil aber bei jeder im Inlande erfolgten Er-
ledigung des Straffalles (man denke an eine Unzuständigkeitserklärung)
die Auslieferung ausschliessen.
Was den Einfluss der dem Abschluss eines Auslieferungsvertrages
nachfolgenden Aenderungen der Gerichtsorganisation und das Process-
recht eines der Vertragsstaaten betrifft, so lehrt LammascnH (S. 490 ff.),
dass dieselben wie Aenderungen des materiellen Strafrechts ohne Ein-
fluss auf das Mass der Verpflichtung des anderen Staates seien, der
letztere also nach strengem Rechte verlangen dürfe, dass der Ausge-
gelieferte von jenem Gericht abgeurtheilt werde, welches nach dem
ursprünglichen Gesetz zuständig war, und dass diesem Verfahren das
alte Processrecht zu Grunde gelegt werde. Aus praktischen Gründen
und um nicht den Vorwurf der Chicane zu verdienen, werde der er-
suchte Staat gleichwohl bei Aenderungen des Verfahrens die Aus-
lieferung regelmässig bewilligen, weil hier meist nicht mit Sicherheit
festgestellt werden könne, dass die Aenderung der Verwirklichung
der Gerechtigkeit hinderlich sei; dagegen empfehle sich bei Verände-
rungen der Gerichtsverfassung, die erfahrungsgemäss häufig zur
Förderung politischer Zwecke vorgenommen würden, nicht selten die