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der Auslieferungsbegehren zu betrauen, nicht aber mit der Entschei-
dung, welche vielfach zugleich von Fragen der politischen Zweck-
mässigkeit abhängt, die im einzelnen Fall auch zur Gewährung
der Auslieferung führen können, wo das Gericht dieselbe versagen
würde; nicht immer würde es für die internationalen Beziehungen
bequem sein, sich auf ein solches ablehnendes Votum berufen zu
können. Lammasch verkennt übrigens nicht, dass die unerlässliche
Voraussetzung für die Uebertragung der Entscheidung an die Gerichte
der Erlass eines Auslieferungsgesetzes wäre. — Dem eventuellen Vor-
schlage, den Gerichten nur ein Gutachten zu übertragen (belgisches
System), steht der vom Verfasser wohl nicht genügend gewürdigte
Einwand entgegen, dass die Abgabe unmassgeblicher Gutachten der
Stellung und Würde der Gerichte nicht entspricht, wie es andererseits
auch nicht angeht, die moralische Bindung der Verwaltung an das
Gutachten durch die von Lammasch vorgeschlagene Veröffentlichung
des letzteren mittelbar herbeizuführen. — Alle Thätigkeit des Gerichts
auf diesem Gebiete hat jedenfalls die praktisch bedenkliche Kehrseite
einer Verschleppung des Verfahrens für die grosse Mehrzahl der ge-
wöhnlich völlig klar gelagerten Fälle, und so dürfte es, wenigstens
vom Standpunkt des continentalen Systems mit seiner Beschränkung
der Prüfung auf wenige Punkte, zur Zeit das Richtigste sein, mit
der Instruction ausschliesslich die hierzu vorzüglich geeignete Staats-
anwaltschaft zu betrauen, wie dies in Frankreich und in Elsass-
Lothringen der Fall ist. Die Einräumung gewisser Parteienrechte
an den Verfolgten ist hiermit nicht unvereinbar.
Das namentlich in Frankreich und Belgien übliche sogenannte
abgekürzte Verfahren der Auslieferung, wobei die Prüfung des
Auslieferungbegehrens nicht durchgeführt wird, weil der Verfolgte
darauf verzichtet, billigt Lammascah als zweckmässig mit der zutreffen-
den Massgabe, dass dabei von der Feststellung der im öffentlichen
Interesse des Zufluchtsstaats liegenden Voraussetzungen nicht abge-
sehen werden darf; die Staatsangehörigkeit des Verfolgten, der poli-
tische oder nicht politische Charakter seiner Handlung, die Verjäh-
rungsfrage, werden daher zu prüfen sein. Auch verwirft der Verfasser
mit Recht die französische Theorie, wonach der mittelst des abge-
kürzten Verfahrens Ausgelieferte als ein freiwillig Zurückkehrender
zu behandeln wäre und deshalb auch wegen anderer Handlungen als
derjenigen, wegen deren Auslieferung stattfindet, bestraft werden dürfte.
Das sechste Buch behandelt die Stellung des Ausgelieferten