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jedenfalls der Vorschlag, wonach der ersuchte Staat jedesmal ein
förmliches Auslieferungsdeceret ausstellen soll, welches zur Darnach-
achtung für das Gericht des ersuchenden Staates die Bedingungen
und Beschränkungen der Auslieferung genau präcisirt. — In der
durch den „Fall Schnäbele“ angeregten Frage, inwiefern es der Be-
strafung des Verfolgten entgegenstehe, wenn derselbe nicht in Form
Rechtens ausgeliefert, sondern durch List oder Gewalt, bezw. unter
Verletzung fremden Gebietes in die Hand des inländischen Richters
gelangt ist, neigt LammascH entschieden der Ansicht zu, dass die vor-
liegende Zuwiderhandlung gegen das Völkerrecht die Pflicht der Ab-
standnahme von der Verfolgung begründe.
Der Anhang, betreffend die Rechtshülfe in Strafsachen, ver-
breitet sich über die Rechtskraft ausländischer Strafurtheile und den
Einfluss der theilweisen oder vollständigen Verbüssung, bezw. der
gnadenweisen Aufhebung der im Ausland erkannten Strafen, um dann
auf die Rechtshülfe im engeren Sinne überzugehen, welche im In-
structionsverfahren durch Veranlassung von Zustellungen und Be-
weiserhebungen von den Staaten wechselseitig geleistet wird.
LammascH weist hier darauf hin, dass die Beschränkungen der Aus-
lieferung nicht ohne Weiteres auch für die Rechtshülfe i. e. S. Platz
greifen, schon deshalb nicht, weil die Weigerung der Rechtshülfe in
den meisten Fällen den Gang des ausländischen Verfahrens nicht
hindern, sondern nur bewirken kann, dass die Entscheidung auf einer
minder zuverlässigen Grundlage gefällt wird. Der Verfasser tadelt
daher die Praxis, wonach die Zustellungen nur herbeigeführt werden,
wenn es sich nicht um politische Delikte oder um Angehörige des
ersuchten oder eines dritten Staates handelt, und will nur im Texte
der Vorladungen jede Androhung von Zwangsmassregeln unterlassen
sehen. (Nach der Praxis im deutschen Reich werden Vorladungen
an hier wohnende Inländer nicht bewirkt und die Letzteren nur offi-
ciös von dem Inhalte der Ladung in Kenntniss gesetzt.) Hinsichtlich
der Rogatorien i. e. S. billigt es Lammasch dagegen, dass der grösste
Theil der Vereinbarungen die Pflicht zur Beweisaufnahme auf Processe
nicht politischen Charakters beschränkt, da die Staaten mitunter
geradezu ein Interesse daran haben, zur Ermittelung und Bestrafung
der im Auslande begangenen politischen Verbrechen nicht mitzuwirken,
und dass ferner eine Pflicht zur Erhebung von Belastungsbeweisen
hinsichtlich solcher Handlungen nicht übernommen wird, welche
nach den Gesetzen des ersuchten Staates nicht strafbar 'sind. Diese