Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dritter Band. (3)

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rechts mit den älteren Phasen des deutschen Staatensystems zu ver- 
knüpfen“ bestrebt ist und nur den politischen Gegensatz zwischen 
altem und neuem Reiche zugibt, daher den deutschen Kaiser mit 
dem römischen Kaiser deutscher Nation, den Bundesrath mit dem 
alten Reichstag, den Reichskanzler mit dem „Erzkanzler durch Ger- 
manien“ in Verbindung setzt, so ist damit der Reminiscenz und Ana- 
logie die Stelle historisch wirkender Mächte mit rechtserzeugender 
Kraft angewiesen, während doch die eine Function vorwiegend ge- 
müthlicher, die andere rein logischer Natur ist. Haben selbstverständ- 
lich Jahrhunderte alte Kräfte an der Errichtung des deutschen 
Staates mitgewirkt, so haben sich dennoch die Organe und Institutionen 
des Reiches in ihrer rechtlichen Structur entwickelt aus den Ver- 
hältnissen, welche durch 1815, 1848 und 1866 geschaffen wurden, und 
zudem sind es vielfach schöpferische staatsmännische Gedanken, die in 
ihnen verkörpert sind. 
Das Werk zerfällt in einen allgemeinen und speciellen Theil. 
Ersterer handelt von der rechtlichen Natur des Reiches und seiner 
Einzelstaaten, vom Reichsgebiet und den Reichsangehörigen; letzterer 
von den Organen und sodann von den Functionen des Reiches. Im 
Anhang wird das öffentliche Recht Elsass-Lothringens vorgetragen. 
Die rechtliche Natur des Reichs charakterisirt Schulze im Vereine 
mit der herrschenden Theorie als Bundesstaat, ohne sich indess in 
eine nähere principielle Erörterung dieser Form der Staatenverbin- 
dungen von Neuem einzulassen, trotzdem die Discussion über den 
Bundesstaat seit dem Erscheinen des ersten Bandes eine sehr bedeut- 
same Literatur hervorgerufen hat, die nicht ganz ignorirt werden 
durfte. Er beruft sich auf seine Ausführungen im ersten Bande, wo 
aber eine eingehende Untersuchung des juristisch so schwer zu er- 
fassenden und für das Reichsstaatsrecht so wichtigen Verhältnisses 
von Gliedstaat und Bundesstaat nicht vorgenommen wird. 
Im Einzelnen sind besonders hervorzuheben die Ausführungen 
über die rechtliche Natur des Kaiserthums. Die selbständigen Organe 
der Reichsgewalt sind Kaiser und Bundesrath, der Kaiser ist „unver- 
antwortlicher Mitträger der Souveränetät“, ist Reichsoberhaupt, wie 
der Kaiser von ehedem. Diese literarisch an v. TREITSCHKE, v. MArTıTz, 
Gierke und Häner anknüpfende Anschauung, welche sich gegen die 
bekannte Lehre Laganv’s wendet, entspreche allein „dem Geiste der 
Reichsverfassung und der Würde des nationalen Kaiserthums“ . Hat 
man erkannt, dass bei einer staatlichen Individualität wie das Deutsche
	        
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