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ein Aufhebungsrecht haben — das ist alles, was der rastlos arbeitende
Begriff übrig gelassen hat von. dem, was man sonst wohl noch als:
Selbstverwaltung ansah. Rechts und links liegen die Ruinen. Auf-
legung und Erhebung von Gemeindesteuern, Expropriation für die
Gemeinde, Gemeindepolizeiverordnung — alles das ist keine Selbst-
verwaltung. In Frankreich und England gibt es überhaupt kein.
Stück Selbstverwaltung, welches dem formalen Begriffe entspräche,
auch nicht in Preussen, Bayern, Baden u. s.w. Nur dem Heimath-
land des Verfassers war es beschieden, durch sein Gemeindegesetz vom
5. März 1862 den Begriff zu verwirklichen.
Wie kommt der formale Begriff dazu, möchten wir vielleicht
fragen, alle diese Verwüstungen anrichten zu dürfen? Aber wir
kennen ihn ja wohl. Das ist nichts anderes als die alte Hreer’sche
Dialektik, welche Dank dem mächtigen Einflusse L. v. Stei’s in der
jüngeren Staatsrechts- und Staatswissenschaft Oesterreichs eine Nach-
blüthe feiert. Ein gewisser allgemeiner Eindruck von dem wirk-
lichen Rechte fasst sich in ein Wort zusammen, das dann im Denken
seine Begriffselemente entfaltet und von der Wirklichkeit verlangt,
dass sie diesen entspreche. Dass dabei die heimischen Einrichtungen
unbewusst zum allgemein Massgebenden gemacht werden, ist nur zu
naheliegend. Nahm ja auch schon bei Heser die Wirklichkeit der
sittlichen Idee in ihren begriffsnothwendigen Entfaltungen einfach die
Gestalt des kgl. preussischen Staatswesens an. —
Die Frage stellt sich nach unserer Auffassung ganz anders. Wir
können das Wort Selbstverwaltung nicht wie einen terminus technicus
behandeln, mit welchem der Gesetzgeber einen bestimmten Rechts-
begriff verbände. Es kommt lediglich darauf an, ob nicht die Wissen-
schaft des ursprünglich gar nicht im Rechtssinne gemeinten Wortes
sich bedienen kann, um einen Rechtsbegriff zu bezeichnen, zu dessen
Bezeichnung es geeignet wäre. Wir legen also den Begriff erst;
hinein, wir lesen ihn nicht aus dem Worte heraus. Die sprachliche.
Zergliederung kann zu nichts führen.
Als das Schlagwort Selbstyerwaltung bei uns aufkam, knüpfte
es an an den bereits vorhandenen Rechtsbegriff der Gemeinde, nicht um
einen anderen daraus zu machen oder daneben zu stellen, sondern um
zu verlangen, dass das diesem Rechtsbegriff entsprechende Ding freier,
selbständiger, einflussreicher entwickelt werden solle. Beschränkung‘
der Aufsicht, Unabhängigkeit der Gemeindeorgane von oben, Bildung
und Stärkung auch von Communalverbänden höherer Ordnung, Deoen-