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tralisation durch Anerkennung eines weiteren Umfanges von Gemeinde-
angelegenheiten, durch Uebertragung neuer Verwaltungscompetenzen
auf die Communen und ihre Organe, — das hiess Selbstverwaltung
gewähren. Trotz des tiefen Eindruckes, welchen Gneist’s Betonung
des Ehrenamtes gemacht hat, hat die allgemeine Anschauung diesen
Zusammenhang zwischen Selbstverwaltung und Gemeinde nicht auf-
gegeben. Sogar in den Verhandlungen des preussischen Abgeordneten-
hauses über die Kreisordnung, die doch ganz unter diesem Einfluss
standen, wurde die reichlichere Verwendung des Ehrenamtes unter den
Gesichtspunkt einer Decentralisation, einer Stärkung des Einflusses der
unteren Verbände gebracht, als eine Einrichtung, welche die rechte
Durchführung und die rechte Bedeutung der Selbstverwaltung sichert
(Bericht des Abg. Dr. FriepentuaL 16. März 1872 Sten. Ber. S. 1282).
Und der Minister selbst betonte die „grössere“ Selbstverwaltung in
dem den Kreistagen und Kreisausschüssen gewährten Feld communaler
Thätigkeit (Sten. Ber. S. 227). In Elsass-Lothringen forderte man noch
jüngst in öffentlicher Discussion eine „Hebung der Selbstverwaltung“
durch Einführung von Berufsbürgermeistern. Andererseits kann man
von deutschen Juristen, welche das französische Gemeinderecht nicht
kennen, das Urtheil hören: die dortigen Gemeinden hätten gar keine
Selbstverwaltung.
Selbstverwaltung in der Sprache unseres öffentlichen Lebens ist
also etwas, was zum (emeindewesen gehört, was dabei grösser oder
kleiner sein kann, oder auch gar nicht vorhanden sein kann. Es be-
deutet Selbständigkeit, Macht und Einfluss der Gemeinden.
Das gibt alles für uns noch gar keinen festen juristischen Be-
griff, mag man es noch so sehr philosophisch vertiefen. Unsere
Wissenschaft des öffentlichen Rechtes, die sich mächtig entwickelt, ist
aber gegenüber der Privat- und Strafrechtswissenschaft noch so arm
an geeigneten Begriffsbezeichnungen, dass sie solche überall nimmt,
wo sie sie findet. Sie sucht auch das schöne Wort Selbstverwaltung
zu verwenden.
Am einfachsten schiene es zu sein, das Wort an denjenigen Be-
griff zu hängen, der schon immer dahinter stand, an die Gemeinde.
Selbstverwaltung wäre dann einfach Gemeindeverwaltung und zwar
der Ortsgemeinde wie der höheren Gemeindeverbände. Allein dadurch
erhielten wir nur eine zwecklose Doppelbezeichnung und dem ursprüng-
lichen Wortsinn würden wir gleichwohl nicht gerecht; denn er bedeu-
tet ja doch ein Mehr, ein Grösseres über den Gemeindebegriff hinaus.