Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dritter Band. (3)

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ist und die Verordnungen für das ganze Heer gelten sollen, so 
ist es völlig unverständlich, wie ihre „nächste“ Zweckbestimmung 
nur die Gültigkeit für die preussischen Truppen sein könne; sie 
könnten nicht einen näheren und einen entfernteren Zweck, son- 
dern nur einen, alle Oontingente zugleich betreffenden Zweck 
haben. Sodann aber muss BROCKHAUS auch hier selbst constatiren, 
dass seine Theorie mit der thatsächlich bestehenden Rechtsübung 
in Conflict steht. Wäre seine Theorie richtig, so wäre, soweit 
diese Anordnungen der ÜUontrasignatur überhaupt bedürfen, die 
Contrasignatur durch den Reichskanzler eine verfassungsrechtliche 
Nothwendigkeit, die Contrasignatur durch die Kriegsminister ein 
staatsrechtlich nichtiger Act. Der Hinweis auf die rechtliche 
Unvollkommenheit der Verantwortlichkeit des Reichskanzlers kann 
diese Verletzung der Reichsverfassung nicht als „erträglich“ 
erscheinen lassen; mit diesem Argument könnte man die Gegen- 
zeichnung des Reichskanzlers bei allen Anordnungen des Kaisers 
für überflüssig erklären. Dass der Reichskanzler die Contra- 
signatur dieser Anordnungen, soweit sie nicht den Etat berühren, 
niemals beansprucht hat, dass die Kriegsminister aller in Betracht 
kommenden Einzelstaaten die Contrasignatur stets vollzogen haben, 
dass die Landesherren sie mit dieser Contrasignatur sanctionirt 
haben, dass überhaupt ihre Gültigkeit in der Praxis niemals be- 
zweifelt worden ist, dies Alles beweist, dass alle massgebenden 
Factoren darüber einig sind, dass diese Anordnungen Regierungs- 
acte der Contingentsherren sind. Wenn auch die Verant- 
wortlichkeit, welche durch die Contrasignatur übernommen wird, 
eine nur nominelle ist, so ist doch das Recht des Ministers zur 
Contrasignatur politische Macht desselben und identisch mit 
seiner Zuständigkeit. Der Reichskanzler ist daher gewiss nicht 
geneigt, auf seine Contrasignatur, wo ihm dieselbe zusteht, zu 
verzichten. In der That werden auch militärische Anordnungen, 
welche die Contingentsherrlichkeit und zugleich die Etats be- 
rühren, doppelt contrasignirt, für die Finanzverwaltung vom 
Reichskanzler, für die Kommandobehörden vom Kriegsminister. 
Sehr zahlreiche reglementarische Anordnungen ergehen 
übrigens in.der Form des Ministerial-Erlasses und zwar niemals als 
Erlasse des Reichskanzlers, sondern stets als Erlasse des Königl.
	        
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