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haben durch Eintritt in den Bundesstaat und Annahme der Ver-
fassung „ihre“ Truppen dem Befehl des Kaisers unterstellt; der
Dienst gegen den Landesherrn besteht in dem Gehorsam gegen
den Kaiser; der letztere ist durch eine ganze Kette von Ver-
fassungsbestimmungen staatsrechtlich und militärisch gesichert;
den Landesherren ist jede Möglichkeit genommen ohne gewalt-
samen Umsturz der Verfassung ihre Truppen der militärischen
Befehlsgewalt des Kaisers zu entziehen. Für die kriegsherrlichen
Rechte des Kaisers ist es völlig unerheblich, ob die Wehrpflicht
eine staatsbürgerliche oder reichsbürgerliche Pflicht ist und ob
sich der Oberbefehl auf die Summe der Contingente oder auf
das untheilbare Heer bezieht. Der Satz (BrockHAus 8. 110),
„dass wir bei Annahme einer Dienstpflicht gegen den Contingents-
herrn in die Verfassung des alten Deutschen Reiches und in die
Zustände des Lehnheeres zurückgeworfen wären,“ ist ein leeres
Schreckwort, welches über Einer Aehnlichkeit die unendliche
Menge schwerwiegender Unterschiede übersieht. Dagegen ist es
für den verfassungsrechtlichen Aufbau des Deutschen Bundes-
stgates in der That von sehr erheblicher Bedeutung, ob bei einem
der allerwichtigsten staatsrechtlichen Verhältnisse der Zusammen-
hang des Staatsangehörigen mit seinem Heimathsstaat und seinem
Laandesherrn gelöst ist oder fortdauert.
Ein anscheinend sehr schlagender Grund dafür, dass die
Wehrpflicht dem Reich gegenüber besteht, wird nun in der sogen.
militärischen Freizügigkeit gefunden. In der That richtet sich
die Gestellungspflicht nach dem dauernden Aufenthaltsort und
die Reichsgesetze bestimmen, dass die Wehrpflichtigen da, wo
sie zur Zeit des Eintritts in das militärpflichtige Alter ihren
Wohnsitz haben, ihre Militärpflicht erfüllen. Hieraus folgert man
nun: „Da die Wehrpflicht unmöglich eine Verpflichtung gegen
den Staat sein kann, in welchem der Pflichtige sein Domicil hat,
nicht aber die Staatsangehörigkeit besitzt, da weiter nach den
Reichsgesetzen die Wehrpflicht zweifellos nicht gegen den Hei-
mathsstaat zu erfüllen ist, so bleibt nur ein Subject des Rechtes
auf Leistung der Wehrpflicht übrig: das Reich”).“ Dies hat einigen
Schein für sich, aber auch nur Schein.
7) Brocknaus S. 113. Dieselbe Deduction bei G. Mryer, Annalen 1880