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der Aufgabe des Heeres, die militärische Bildungsschule des
Volkes zu sein, in vollem Einklang. Aber auch dieser Grundsatz
ist durch die Rücksicht auf die Contingentsherrlichkeit der
Staaten modificirt. Denn für alle Staaten, welche die Ausübung
ihrer Contingentsherrlichkeit nicht an Preussen abgegeben haben,
gilt die gesetzliche Regel, dass sie den Ersatz für ihre Contin-
gente in ihren Gebieten selbst aufbringen und dass die von ihnen
ausgehobenen Rekruten im Frieden nicht in andern Contingenten
eingereiht werden !°). Ganz unverständlich ist es, wie man diese
Bestimmung als „eine durch praktische Erwägungen bestimmte
(Garantie für die Vollzähligkeit der von einzelnen Staaten gebil-
deten besonderen Armeecorps* ausgeben kann!!); denn diese
Garantie liegt doch in der vollen Freiheit der Zutheilung der
Rekruten an die einzelnen Truppenkörper, nicht in der Be-
schränkung dieser Freiheit.
Im Kriege ist die Wehrpflicht freilich keine blosse Schul-
pflicht. Hier bewirkt aber die Solidarität der Interessen des
Reiches und aller Einzelstaaten, die Zusammenfassung aller Streit-
kräfte für eine und dieselbe Aufgabe, dass es völlig unerheblich
ist, an welcher Stelle der gesammten bewaffneten Macht die
Dienste des Einzelnen Verwendung finden; sie kommen seinem
Heimathsstaate und allen andern Bundesgliedern zu Gute, in
welchem Theile des Heeres oder der Flotte auch er sie leistet;
10%) Mil.-Ges. 89 Abs. 4. Wehr-Ordn. I 851 Ziff. 5. Vgl. mein Staatsr.
d. D.R. III1l S. 55. 62. Das Gesetz spricht von denjenigen Staaten, welche
besondere Armeekorps bilden, nicht von denjenigen, welche ihre Uon-
tingentsherrlichkeit selbst ausüben. Dies fiel aber zur Zeit der Abfassung
des Milit.-Gesetzes zusammen, mit alleiniger Ausnahme von Braunschweig,
und es ist daher durchaus unbegründet, den Zusammenhang dieser Be-
stimmung mit der Contingentsherrlichkeit aus dem Grunde zu bestreiten,
weil nicht das Wort Contingent im Gesetze gebraucht ist. Die Unrichtigkeit
dieser Auslegung ergiebt sich übrigens ganz klar daraus, dass die Be-
stimmung des & 9, Abs. 4 auf Baden keine Anwendung findet, obwohl die
Badischen Truppen doch auch „ein besonderes Armeekorps“ bilden. Vielleicht
hat man die Ausdrucksweise im $ 9 grade mit Rücksicht auf Braun-
schweig gewählt, welches sich bekanntlich dem Abschluss einer Militär-
konvention mit Preussen widersetzt hatte.
11) So Brockuaus 8. 114. Meyer Annalen 344 fg. Verwaltungsrecht
Bd. II S. 75 Note 24.
Archiv fur öffentliches Recht. III. 4. 34