Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dritter Band. (3)

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die Anschauung der massgebenden Factoren im Reiche ist, be- 
weist die neueste, erst 1886 abgeschlossene Militärconvention, die 
braunschweigische, deren $ 1 bestimmt: „dass Seine Maj. der 
König von Preussen die Ausübung der Militär-Hoheits- 
rechte übernimmt“. Ohne die Militär-Hoheitsrechte der 
Einzelstaaten sind die Conventionen und der durch sie herbei- 
geführte Zustand gar nicht verständlich. 
Aber der durch die Militärconventionen hergestellte that- 
sächliche Zustand mag wohl der Grund sein, warum die Aner- 
kennung der verfassungsmässigen Rechte der Contingentsherren 
in der Literatur des Deutschen Staatsrechts auf einen so ver- 
breiteten und energischen Widerstand stösst. Von allen Staaten 
des Norddeutschen Bundes war schliesslich Sachsen der einzige, 
welcher die in der Verfassung gewährten Rechte wirklich ausübte; 
daneben in beschränkterem Maasse Braunschweig. Wozu nahm 
man den Umweg, erst in der Verfassung den Staaten weitgehende 
Rechte einzuräumen, und dann im Wege der Convention sie ihnen 
factisch wieder zu entziehen? Es wäre doch einfacher gewesen, 
dasselbe Verfahren in der Norddeutschen Bundesverfassung hin- 
sichtlich Sachsens einzuschlagen, das man in der Reichsverfassung 
hinsichtlich Bayerns befolgt hat, nämlich für Sachsen ein Sonder- 
recht anzuerkennen und als Regel denjenigen Zustand anzuordnen, 
der für alle übrigen Staaten thatsächlich hergestellt worden ist. 
Diese Erwägung ist aber desshalb nicht zutreffend, weil es zu der 
Zeit, als die Bundesverfassung festgestellt: wurde, noch gar nicht 
zu übersehen war, wieweit die Einzelstaaten sich bereit finden 
lassen würden, ihre Contingente mit der Preussischen Armee zu 
verschmelzen. Nur für die ganz kleinen Staaten, welche zur Zeit 
des ehemaligen Deutschen Bundes die sogen. Reservedivision 
bildeten, war es aus thatsächlichen Gründen unmöglich, ihre 
Contingente nach preussischem Muster einzurichten und selb- 
ständig zu verwalten; für sie war es unausweichlich, ihre Rechte 
und Pflichten auf Preussen zu übertragen. Auf die Verhältnisse 
dieser Staaten ist die Verfassung nicht berechnet, sondern auf 
diejenige der Mittelstaaten. Allen gegenüber hatte Preussen aber 
eine moralische und politische: Verpflichtung. Preussen hatte 
bei den Verhandlungen über die Militärreform beim Deutschen
	        
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