Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dritter Band. (3)

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2. Was die Einnahmen aus Steuern anlangt, so forderten 
die Mehrheit der zweiten Kammer (darunter von Beckerath, 
Simson, Graf Schwerin) und die Minderheit der ersten 
Kammer (darunter Dahlmann, Baumstark, von Vinke, 
von Auerswaldt und Oamphausen) das uneingeschränkte 
Steuer-Bewilligungs- und Versagungsrecht. Diese Forderung, 
geltend gemacht in dem Antrage, die ersten Worte des heutigen 
Artikel 109 der Preussischen Verfassungs-Urkunde zu streichen, 
drang nicht durch, so dass dem Landtage ein Zustimmungsrecht 
nur bei neuen Steuern oder bei Erhöhung der bestehenden 
Steuern eingeräumt ist. 
3. In Ansehung der Ausgaben dagegen ist, worauf noch 
später zurückgekommen wird, dem Landtage das volle Mit- 
bestimmungsrecht zugesprochen worden, zugleich unter ausdrück- 
licher oder stillschweigender Annahme, dass Ausgaben nach 
Aussen hin auch ohne Zustimmung des Landtages nicht ungültig 
sein sollen, unbeschadet der Verantwortlichkeit der Regierung. 
Aus dem Vorstehenden folgt erstens, dass der Preussi- 
sche Landtag ein Einnahmebewilligungsrecht nicht 
hat. Weder den Schuldnern des Staates noch selbst dem Land- 
tage gegenüber bedarf die Staatsregierung zur Erhebung irgend 
welcher Staatseinnahmen der Zustimmung der Landesvertretung. 
Zu neuen Steuern und der Aufnahme von Anleihen ist die Zu- 
stimmung des Landtages, ist ein Gesetz nothwendig (Artikel 100 
und 103), zur Erhebung der aus einem solchen Gesetze sich er- 
ergebenden Einnahmen bedarf die Regierung keiner weiteren 
Ermächtigung. Die Kammern wirken bei der Feststellung aller 
Einnahmen durch das Etatsgesetz mit, diese Feststellung ist keine 
Bewilligung und daher bedarf die Regierung für Einnahmen, 
welche sie ausserhalb des Etats oder über den Etat macht, keiner 
Bewilligung. So lange die Preussische Verfassung besteht, hat 
die Regierung solche Einnahmen hinterher den Kammern mitge- 
theilt, niemals aber eine nachträgliche Genehmigung nachgesucht. 
Artikel 104, welcher zu Etats-Ueberschreitungen die nachträg- 
liche Genehmigung der Kammern erforderlich erklärt, bezieht 
sich nur auf Mehrausgaben. Dies erweist nicht nur eine mehr 
als dreissigjährige Praxis, sondern auch die in $ 19 der Ober-
	        
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