Full text: Archiv für öffentliches Recht.Dritter Band. (3)

— 639 — 
um zu verhüten, dass gegen Ausländer, welche die Reichsangehörigkeit 
erworben haben und in Folge dessen gemäss $ 9 des Reichsstrafgesetzbuchs 
aer ausländischen Regierung zur Verfolgung nicht überliefert werden dürfen, 
wegen früher von ihnen im Auslande begangener strafbarer Handlungen 
eine strafrechtliche Verfolgung in Deutschland allzuleicht und ausnahmslos 
eingeleitet werde. Es sollte nicht eine dauernde Rechtsunsicherheit für 
solche Individuen geschaffen, sondern im Gegentheil ihnen eine gewisse 
Garantie für einen gesicherten Rechtszustand im Inlande, ein Schutz der 
persönlichen Freiheit gewährt und etwaige materielle Ungerechtigkeiten, die 
sich aus der ausnahmslosen Einleitung der strafrechtlichen Verfolgung 
ergeben könnten, verhindert werden. 
Der Grundbegriff aller Strafbarkeit liegt an sich darin, dass derjenige 
Staat, in dessen Bezirk die strafbare Handlung begangen ist, auch das 
Recht zu strafen hat, und dass, wenn er dieses Recht nicht ausüben will, 
damit gewissermassen schon von ihm selbst die Handlung nicht so auf- 
gefasst wird, dass sie verfolgt werden könnte oder müsste. Die deutsche 
Strafgewalt wird in den meisten Fällen an der Verfolgung bezw. Bestrafung 
von Ausländern, welche die Reichsangehörigkeit erworben und vorher im 
Auslande strafbare Handlungen begangen haben, ein unmittelbares 
Interesse nicht haben; es kann aber auch Fälle geben, wo auch die aus- 
ländische Strafgewalt ein Interesse an der nachträglichen Bestrafung solcher 
Individuen nicht hat. 
Aus diesem Grunde und ferner, weil eine Auslieferung solcher Aus- 
länder, welche durch Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit Inländer 
geworden sind, nicht mehr zulässig ist, soll die strafrechtliche Verfolgung 
in den genannten Fällen nur insoweit zugelassen werden, als thatsächlich 
ein Interesse des Auslandes an der Bestrafung vorliegt, und dieses Interesse 
seitens des Auslandes durch Stellung eines bezüglichen Antrages zu erkennen 
gegeben wird. 
Dieser Antrag auf Verfolgung soll also an Stelle des gesetzlich nicht 
zulässigen Auslieferungsantrages treten; er stellt sich als ein dem Auslieferungs- 
antrag entsprechender, diesen ersetzender dar’). Es handelt sich sonach, 
wie aus alledem folgt, bei diesem Antrage um ein amtliches Verlangen, ein 
amtliches Ersuchen, es handelt sich darum, den Staat, an welchen dieser 
Antrag gerichtet wird, und seine Strafgewalt für die Sühne der vorgefallenen 
Verletzung der Rechtsordnung zu interessiren, also um eine Anregung zur 
Uebernahme einer strafrechtlichen Untersuchung, um eine Erklärung von 
Staat zu Staat. 
Es entspricht dieses Erforderniss des $ 4 Nr. 3 Abs. 2 des Reichs- 
1) Ein Unterschied ergibt sich nur insofern, als der Auslieferungs- 
antrag den Zweck hat, den Verfolgten der Strafgewalt des ersuchenden 
Staats zuzuführen, und sonach wesentlich im Interesse der Strafrechtspflege 
dieses Staats gestellt wird.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.