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dieser Kategorie eine zu weite Ausdehnung. Insbesondere werden
die gesetzlichen Definitionen vielfach insofern einen rechtlich bin-
denden Inhalt haben, als sie vorschreiben, wie der betreffende
Ausdruck im Sinne des Gesetzes zu verstehen ist; sie enthalten
alsdann „begrifisentwickelnde Rechtssätze“ 3). Auch der gesetz-
liche Ausdruck einer Ucberzeugung in Betreff einer abstrakten
(Rechts-) Wahrheit?*) oder die gesetzliche Üonstatirung einer
(juristischen) Thatsache?®) kann einen rechtlich bindenden Cha-
rakter haben, insofern dadurch die rechtliche Geltung dieser Wahr-
heit, beziehungsweise Thatsache, und damit auch ihrer logischen
Consequenzen, sichergestellt werden soll 3°).
Für die Frage, ob der (verbindliche) Inhalt eines formellen
(Gesetzes ein Rechtssatz ist, ob also der in den Formen der
Gesetzgebung zu Stande gekommenen staatlichen Willensäusserung
auch die Natur eines materiellen Gesetzes innewohnt, soll nach
JELLINEK’s Ansicht stets der nächste, unmittelbare Zweck des
Gesetzes massgebend sein (S. 240 und 242). Aber wie grosse
Bedeutung auch der Absicht des Gesetzgebers?”) zukommt, so
#) Tnort, Einleitung in das deutsche Privatrecht, $ 35. — Wenn
SELIGMANN a. a. O. hervorhebt, der Gesetzgeber könne durch die Definition
eines Rechtsinstituts anordnen, dass die für dasselbe geltenden Rechtssätze
auf alle diejenigen Fälle, welche nicht unter die Definition zu subsumiren
sind, keine Anwendung finden sollen, so liegt es doch noch näher, in der
Definition die positive Bestimmung der Anwendungssphäre jener Rechtssätze
zu erblicken,
%) Wie der Satz in der französischen Verfassung v. 24. Juni 1793
(Erklärung der Menschenrechte, Art. 28): „Une generation ne peut assujettir
a ses lois les generations futures.“
85) Wie die Bestimmung des österreichischen Gesetzes v. 6. Juni 1886,
$ 1: „Der Landsturm ist ein integrirender Theil der Wehrkraft.“
36) JELLINEK selbst macht S. 241 geltend, dass auch die Bekräftigung
bestehenden Rechtes sowie die Aufklärung dunklen Rechtes in den Bereich
der materiellen Gesetzgebung fallen.
#7) Dass JELLINFEK in dieser Erörterung unter Zweck den subjektiven
Zweck versteht, geht namentlich aus der $. 242 erklärten Identificirung des-
selben mit der nächsten beabsichtigten Wirkung des Gesetzes hervor.