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als politische Betrachtungsweise charakterisiren) — „sondern nach
seiner Struktur, seinen anatomischen Momenten. Solche Momente
sind z. B. Subjekt, Objekt, Inhalt, Wirkung“ (S. 365).
Ein drittes sehr wichtiges Moment für jede Begriffsbestimmung
ist der ebenfalls von Iuerına aufgestellte Satz (I. c. S. 374), dass
ein Begriff keine Ausnahme duldet.
Unter Zugrundelegung dieser Sätze sollen nun zunächst in
der folgenden Darstellung die bisher aufgestellten Definitionen
entwickelt und auf ihre Richtigkeit geprüft werden (II); alsdann
ist die geschichtliche Entwicklung des positiven Rechts darzulegen
und im Anschluss daran der m. E. richtige Begriff der Selbst-
verwaltung im Rechtssinne aufzudecken (III und IV).
II.
Wenn ich im Folgenden zunächst die Ansichten GnEIsT’s
über die Bedeutung und den Begriff der Selbstverwaltung nicht
zum Gegenstande der Erörterung mache, so geschieht dies nicht
etwa in dem Sinne, als ob ich dessen Ausführungen nicht die
grösste Bedeutung beimässe; ich übergehe ihn hier vielmehr ledig-
lich desshalb, weil er, wie Rosın®) bereits mit Recht hervorgehoben,
in seinen Schriften „in erster Reihe keinen juristisch-dogmatischen,
sondern einen politischen Zweck verfolgte.“
Einen juristisch-dogmatischen Zweck konnte GNEIST auch
schon um desswillen nicht haben, wenigstens soweit es sich um
die deutschen Rechtszustände handelt, weil gerade erst in Folge
der GneisT’schen Schriften, die „noderne Selbstverwaltung“
in das positive deutsche Verwaltungsrecht eingeführt ist, somit
damals für eine juristisch-dogmatische Behandlungsweise
das Substrat fehlte.
Aber weil Gneist der eigentliche geistige Urheber und
Schöpfer des heutigen deutschen und insbesondere preussischen
6) Hırra’s Annalen des Deutschen Reichs 1883 IV. Der Rechtsbegriff
der Selbstverwaltung S. 305 fl.