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welche mit der Unmöglichkeit dieser Unterscheidung anhebt, er-
klärt selbst ihre Unbrauchbarkeit.
War demnach die Auffassung des Staates als Person schon
früher in der Litteratur hervorgetreten, so hat dieselbe eine
schärfere Ausprägung und eine besondere Gestaltung durch
V. GERBER erhalten. In der von ihm aufgestellten Formulirung
ist die Persönlichkeitstheorie zur Herrschaft gelangt. Gleich im
Anfange seiner „Grundzüge des deutschen Staatsrechts“ ?) be-
zeichnet er den Staat als „die höchste rechtliche Persönlichkeit,
welche die Rechtsordnung kennt“. Und zugleich hält er es für
ein „Verkennen der Stellung des Staates im Zusammenhange der
ethischen Ordnungen der Menschheit, wenn man die rechtliche
Persönlichkeit des Volkes im Staate als einen abgeleiteten Be-
griff behandelt, und die Gattung desselben in den juristischen
Personen des Privatrechts sucht, indem man den Staat in die
Skala der letzteren einreiht“. Wenn er aber dann des näheren
auf die Konstruktion der Staatspersönlichkeit eingeht *°), so ruft
er dazu doch das „allgemeine Mittel juristischer Konstruktion“
zur Hilfe, welches der Jurisprudenz zu Gebote stehe, um ein
Wesen „mit der Eigenschaft der Persönlichkeit zu bekleiden“;
jenes Mittel, „das, wie es für andere Zwecke dem Privatrecht,
so dem Staatsrechte zur Gestaltung der rechtlichen Existenzform
der staatlichen Verfügungsmacht offen stehe“. Weisen diese
Aeusserungen offenbar auf die Fiktionstheorie, die künstliche
Persönlichkeit hin, so verwahrt sich doch GERBER sofort gegen
diese Annahme, indem er erklärt, jenes Mittel, ein Wesen mit
Persönlichkeit zu bekleiden, erscheine hier nicht, „was es sonst
bisweilen (2?) ist, als eine fremde und willkürliche Zuthat“; son-
dern es sei „lediglich ein Aussprechen dessen, was bereits that-
sächlich in der natürlichen Anlage des Staats vorhanden ist“.
42) v. GERBER, Grundzüge des deutschen Staatsrechts, zuerst 1865;
3. Aufl. 1880, S. 2 und n. 2.
#5) Beilage II: Die Persönlichkeit des Staates a. a. O. S. 225 ff.