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jetzt zu, nämlich für die gesetzgebenden Factoren. Der zu Stande
gekommene Consens ist das Moment, in welchem der Wille eines
der beiden Factoren in Bezug auf das Gesetz ohnmächtig ge-
worden ist. Es wird, wie schon angedeutet ist, bestritten, dass
der König nach erfolgter Zustimmung noch einseitig die Ver-
kündigung des Gesetzes hinausschieben dürfe; dasselbe ist seiner
Willkür entwachsen. Denn König und Parlament sind in Bezug
auf die Gesetzgebung gleichwerthige Factoren. Auf der Wahr-
heit dieses Satzes beruht die hier verfochtene Meinung. Diese
Wahrheit wird, wie ich annehme, durch den Art. 62 der preuss.
Verfassung erwiesen. Danach ist es nur folgerecht, dem einen
Factor das zu versagen, was dem anderen nicht zukommt, nämlich
eine Zurücknahme des schon abgegebenen Votums.
Die Lehrbücher des preussischen Staatsrechts von SCHULZE
und RÖNNE halten an der Sanction fest. SCHULZE lehrt: „Der
König ist nicht nur einer der Factoren der Gesetzgebung, sondern
der Gesetzgeber. Der Act seiner Zustimmung ist der eigentlich
entscheidende.“ Einige Zeilen unten spricht er dagegen, sich
offenbar in einen Widerspruch verwickelnd, weit richtiger den
Gedanken aus, „dass das Gesetz das Erzeugniss eines einheit-
lichen Staatswillens ist, zu welchem verschiedene Organe in eigen-
thümlicher Weise mitzuwirken haben“. Er sollte daher sagen:
Gesetzgeber in Preussen ist nicht der König, sondern der Staat.
Es wird wiederholt, dass dem unzweideutigen Wortlaut der
preussischen Verfassung gegenüber nicht zugegeben werden kann,
dass die Zustimmung des Königs eine andere, eine erhöhtere Be-
deutung hätte, als die der Kammern.
Ich stelle an dieser Stelle die beiden Artikel derselben, welche
allein von der Gesetzgebung handeln, noch einmal zusammen:
Art. 62: „Die gesetzgebende Gewalt wird gemeinschaftlich
durch den König und durch zwei Kammern ausgeübt. Die Ueber-
einstimmung des Königs und beider Kammern ist zu jedem Ge-
setz erforderlich“.