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Regierungen gefassten Sanctionsbeschlusses. Ich schliesse dagegen
gerade aus dem Umstande, dass jene Formel Bundesrath und
Reichstag auf die gleiche Stufe neben einander stellt, dass beide
Factoren einander gleichberechtigt sind.
Zum Beweis für die Subordination des Kaisers wird auf das
Ausgeführte Bezug genommen.
Die Summe ist diese: Auch ohne Operation mit dem unserer
Reichsverfassung fremden Begriff der Sanction folgt aus dem Ge-
setzgebungsvorgang, wie ihn die Verfassungsurkunde deutlich
skizzirt, die Verpflichtung des deutschen Kaisers zur Ausfertigung
und Verkündigung.
Dieses Resultat wird endlich bestätigt durch die richtige
Beantwortung der oben ad II. aufgeworfenen Frage nach der
Rechtsstellung des Kaisers im Verfassungsbau des Reichs über-
haupt.
II. „Man hat logischerweise nur die Wahl, den Kaiser als
Reichsbeamten, als Beauftragten einer über ihm stehenden Potenz,
als Delegirten der verbündeten Regierungen oder als selbständiges
Organ der Reichsverfassung zu betrachten, welcher seine reichs-
oberhauptliche Stellung unmittelbar aus der Reichsverfassung ab-
leitet und zu eigenem Recht besitzt und ausübt. Tertium non
datur“, so lehrt HERMANN SCHULZE.
Tertium datur, ist das Motto der folgenden Zeilen.
Wir betrachten zunächst das erste Glied der Alternative.
Es ist klar, dass, wenn der Kaiser lediglich als Haupt der Ver-
bündeten im Sinn des primus inter pares aufzufassen wäre, es
nahe läge, in dieser Stellung die Pflicht desselben zu finden, den
durch den Beschluss von Bundesrath und Reichstag gebildeten
Willen zum Ausdruck zu bringen. Allein jene Hypothese lässt
sich nicht beweisen. Es ist mit Recht betont worden, dass die
Auffassung des Kaisers lediglich als eines Delegirten der ver-
bündeten Regierungen dem (Geist der Reichsverfassung und der
Würde des nationalen Kaiserthums nicht entspreche. Auch