— 105 —
Auf den Fall, dass dem Kaiser der Erlass von Rechtsver-
ordnungen delegirt wird, kann und braucht in diesem Zusammen-
hang, wo es sich lediglich um die Stellung desselben zu dem
gewöhnlichen Gang der Gesetzgebung handelt, des Näheren nicht
eingegangen werden.
84. Die Modification.
Es ist, wie schon angedeutet wurde, ein bleibendes Ver-
dienst Monr’s, auf einen Gedanken aufmerksam gemacht zu
haben, dessen Consequenzen für unsere Frage von grösster Be-
deutung sind, auf den Gedanken: Verfassungswidriges kann und
soll Niemand als rechtlich bestehend anerkennen oder gar zu
dessen Ausführung mitwirken. Daher, so folgert Mon, ist
der Kaiser nicht nur berechtigt, sondern sogar verpflichtet, ein
verfassungswidriges Gesetz nicht zu publiciren. Dieses Recht und
diese Pflicht ist das Wesen der „Ausfertigung“. Der Gedanke
hat in seiner Einfachheit einen raschen Siegeslauf gemacht.
Mont folgen u. A. ZORN, SCHULZE, LABAND.
Von diesen Staatsrechtslehrern wird in Uebereinstimmung der
Gedanke betont, dass dem Kaiser aber lediglich eine Prüfung der
verfassungsmässigen Form, nicht des verfassungsmässigen In-
haltes der Gesetze zustehe. Diese Formulirung erscheint auf
den ersten Blick zu eng. Denn man fragt mit Recht: Kann denn
die Verfassungswidrigkeit eines Gesetzes nur in der Art und
Weise des Zustandekommens und nicht vielmehr auch in seinem
Inhalt liegen? Lässt sich nicht der Fall denken, wo die ver-
fassungsmässige Form wohl gewahrt, aber der Inhalt verfassungs-
widrig ist? Und soll der Kaiser ein solches Gesetz auszufertigen
verpflichtet sein? Die oben citirten Juristen sagen: Allerdings —
und sie haben Recht. Es ist zutreffend, wenn auch zunächst auf-
fallend, dass es lediglich auf die Prüfung der Form ankommen
kann.
Folgende Erwägung diene zum Beweise. Gesetzt, ein Ent-